Passau/Seubersdorf – Der ICE befand sich am vorvergangenen Samstag auf der Fahrt von Passau nach Hamburg, als er am kleinen Bahnhof Seubersdorf abrupt stoppen musste. Im Zug hatte sich eine Bluttat ereignet: Ein Syrer, 27 Jahre alt, hatte mit einem Messer zugestochen und vier Reisende verletzt. Unter anderem erwischte er mit der acht Zentimeter langen Klinge eines der Opfer mit voller Wucht am Kopf. Nur mit Glück gab es im Zug keine Toten.
Zu dem Täter war bisher nur wenig bekannt: Seit 2014 lebte der Syrer in Deutschland, 2020 war er wegen eines Betrugsdelikts verurteilt worden, einen Tag vor der Tat verlor er seinen Arbeitsplatz. Noch am Tat-Wochenende war der Mann von einem psychiatrischen Gutachter untersucht und als paranoid schizophren eingestuft worden. Er kam daher in die geschlossene Abteilung der Bezirksklinik Regensburg.
Nach eineinhalb Wochen gibt es jetzt ein differenzierteres Bild von dem Täter, wie der Münchner Oberstaatsanwalt Klaus Ruhland berichtet: Ermittler hatten die Facebook-Accounts des Beschuldigten untersucht und Hinweise auf islamistische Motive gefunden. In dieselbe Richtung deuten bei ihm entdeckte Propagandavideos der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Der Verteidiger des Beschuldigten, Maximilian Bär aus Nürnberg, sagte: „Das ist auch für die Verteidigung eine neue Entwicklung.“ Er müsse die neuen Beweismittel erst auswerten.
„Die Ermittlungen dauern an“, betont Ruhland. „Weitere Zeugenvernehmungen sind durchzuführen.“ Federführend ist jetzt aber die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus, nicht mehr die Nürnberger Staatsanwaltschaft. Die Ermittler gehen weiter davon aus, dass auch eine psychische Erkrankung des Syrers für die Tat eine Rolle gespielt haben kann. Ob der Täter zum Tatzeitpunkt schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war, ist jetzt die Frage. Dazu wird ein Gutachten in Auftrag gegeben. dw