Das Wunder von Sölden

von Redaktion

VON JOHANNES WELTE

Bernried/Peiting/Sölden – Maxime C. (40) aus Bernried ist Freizeitpilot mit Leib und Seele. Schon mit 15 Jahren begann der gebürtige Franzose in seiner Heimat mit dem Segelfliegen, er absolviert jedes Jahr über 100 Flugstunden. Seit sieben Jahren nennt er ein Ultraleichtflugzeug sein Eigen – eine Zlin Savage aus tschechischer Produktion, die er am Flugplatz in Peiting (Kreis Weilheim-Schongau) in einem Hangar stationiert hat. Am Sonntag war Maxime C. wie so oft zuvor mit einem Freund und Kollegen – dem 32-jährigen Münchner Matthias B. – von dort zu einem Rundflug über die Alpen aufgebrochen. Eigentlich eine Routineangelegenheit für den verheirateten Ingenieur.

Dieses Mal führte die Route ins Ötztal und von da ins von dort abzweigende Gurgler Tal. „Wir wollten uns dann den Gletscher anschauen, doch dafür waren wir noch zu niedrig“, schildert der Hobbypilot unserer Zeitung. Also wollte Maxime C. noch mal eine Runde Richtung Ötztal fliegen, um Höhe zu gewinnen. „Da sah ich plötzlich das Drahtseil vor mir.“ Es ist das Seil der Materialseilbahn des Ramolhauses – eine Berghütte auf 3006 Metern Höhe. Das Seil überspannt das Gurgler Tal in luftiger Höhe bis auf die andere Bergflanke. Ein Zusammenstoß mit dem Seil in knapp 3000 Metern Höhe wäre vermutlich tödlich gewesen. „Da wäre das Flugzeug wohl direkt abgestürzt“, glaubt Manfred Schiefele, Betreiber des Peitinger Flugplatzes. Der Talgrund liegt dort über 1000 Meter tiefer.

Doch Maxime C. behielt die Nerven, er zog das Flugzeug kurz vor dem Drahtseil hoch, wodurch es aber zum Strömungsabriss kam und das Flugzeug ins Trudeln geriet. „Ich habe diese Situation schon mehrfach in großer Höhe geübt“, sagt Maxime C. weiter. Nach etwa einer Umdrehung lag das Flugzeug wieder horizontal in der Luft. „Ich hätte es fast abgefangen, doch dann trafen wir den Berg.“ In rund 2700 Meter Höhe krachte der Hochdecker auf die Bergflanke. „Das Fahrwerk mit dem großen Gummirad hat das Schlimmste verhindert“, sagt Maxime C.

Das Flugzeug rutschte über eine schneebedeckte Steilrinne rund 50 Meter in die Tiefe, bis es zum Stillstand kam. Der Pilot konnte sich schnell befreien: „Ich trage einen Helm, weil bei einem Unfall mit einem Doppeldecker die obere Tragfläche auf den Piloten schlagen kann.“ Sonst wäre er möglicherweise bewusstlos gewesen. Maxime C. half seinem Freund ins Freie, alarmierte per Funk die Rettung. Sein Ortungssystem, das er für solche Fälle mit sich trägt, sorgte dafür, dass die beiden schnell gefunden waren.

Die Bergung per Tau durch einen Rettungshubschrauber gestaltete sich schwierig, da sie unter dem Seil der Materialseilbahn durchgeführt werden musste. Maxime C. kam mit Verdacht auf Wirbelbrüche ins Krankenhaus Zams (Tirol), sein schwerer verletzter Freund in eine Innsbrucker Klinik. Wir haben schon telefoniert“, sagt Maxime C. Er hofft, dass sie keine bleibenden Schäden davontragen. „Das Wichtigste ist, dass wir beide am Leben sind.“

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