Bad Tölz – Stefan Wigand (Name geändert) geht mit seiner Entscheidung offen um. Er ist nicht geimpft – und wird das auch erst mal bleiben. Im Unterschied zu vielen anderen Ungeimpften wäre er aber gerne besser gegen das Coronavirus geschützt. Allerdings leidet der 35-Jährige aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen an der Autoimmunerkrankung Thrombozytopenie. Sein Körper bildet zu wenig Blutplättchen. „Wenn ich krank bin, ist mein Blut so dünn wie Wasser“, erklärt er. Einmal war er deswegen als Notfall bereits im Krankenhaus. Er hat sein Krankheitsbild in den vergangenen Wochen häufig erklärt. Denn er will nicht für einen Impfgegner gehalten werden. Das ist er nicht. Die Entscheidung gegen die Impfung sei ihm schwergefallen, berichtet er. „Es war eine Risikoabwägung.“
Auch sein Hausarzt konnte ihm nicht sagen, wie groß die Risiken durch die Impfung mit seiner Erkrankung wären. Also hat Wigand das Uni-Klinikum in Salzburg angeschrieben. „Zurück kam leider nur ein Standardbrief“, berichtet er. Natürlich hat Wigand auch vor einer Infektion Angst – denn wie schwer sie bei ihm verlaufen würde, weiß niemand. Deshalb lebt er deutlich isolierter als vor der Pandemie. „In einem Restaurant war ich schon lange nicht mehr“, sagt er. Der 35-Jährige wohnt allein. Bisher musste er aber nicht ins Homeoffice wechseln. Er hat ein Einzelbüro und testet sich regelmäßig – schon bevor es Pflicht war. Er arbeitet in einem kleinen Team mit sehr familiärer Atmosphäre, sagt er. Deshalb sei es ihm leichtgefallen, offen mit seinen Kollegen über seine Krankheit zu sprechen. Aber er kann sich gut vorstellen, dass das für andere unfreiwillig Ungeimpfte eine größere Überwindung ist. „Die Angst, dadurch beruflich einen Nachteil zu haben, bleibt natürlich“, sagt er. Bei seinen Vorgesetzten hat er seine Krankheit zum Beispiel noch nicht angesprochen. „Ich mache mir natürlich Gedanken, wie sie es aufnehmen, dass ich nicht geimpft bin.“
Stefan Wigand weiß, dass er sich spätestens jetzt ständig dafür erklären, wenn nicht sogar rechtfertigen muss. Er spürt, dass der Frust auf die Ungeimpften von Monat zu Monat wächst. „Es gibt aber einfach nicht nur Schwarz und Weiß“, betont er. Menschen mit ähnlich seltenen Krankheiten seien nun in einer schwierigen Lage. Seine Sorge, dass die Stimmung weiter hochkochen wird, ist groß.
Seine Angst vor einer Infektion ist allerdings auch groß. Und das nicht erst, seit die Infektionszahlen so dramatisch steigen. „Sie ist ein ständiger Begleiter“, sagt er. Vor der Isolation habe er keine Angst, aber großen Respekt. Schon sein letzter Winter war nicht leicht. Dass in diesem Winter ein harter Lockdown auf die Ungeimpften zukommt, war Wigand klar. Er habe das Glück, dass er gute Freunde hat, die von seiner Krankheit wissen und ihn nicht ausschließen wollen, berichtet er. Deshalb treffen sie sich mit ihm privat, statt in Restaurants oder Bars. Und das mit Selbsttest.
Stefan Wigand hat sich in letzter Zeit oft gefragt, wie es für Menschen sein muss, die sich nicht so leicht tun, ihre Krankheit vor den Kollegen oder Freunden offenzulegen. Er kann es, weil viel Vertrauen da ist – aber in der Zeitung möchte er seine Geschichte auch nicht mit seinem richtigen Namen erzählen. Seine Krankheit war immer etwas sehr Privates.
Es wäre leichter, wenn er ein Attest hätte, das belegen würde, wie riskant eine Impfung für ihn wäre. Das hat er aber nicht – kein Arzt kann ihm sagen, wie groß das Impfrisiko mit seiner Krankheit wäre. Er würde sich wünschen, dass Ungeimpfte mit einer begründeten Angst vor der Impfung nicht gleichgestellt werden mit Impfgegnern.