Murnau – Die Intensivstationen sind am Limit, Krankenhäuser müssen seit Wochen planbare Operationen verschieben wegen der vielen Corona-Patienten – und in Murnau meldet sich der Leiter der Intensivstation mit äußerst impfkritischen Aussagen zu Wort. Er selbst sei nicht geimpft, sagte Wolfram Popp in einem Interview, das am Rande einer Protestaktion gegen die Corona-Maßnahmen entstand. Er fürchte die Nebenwirkungen und dauerhaften Schaden, sagt er. Auch unter seinen Kollegen gebe es einige, die sagen: „Auch wenn eine Impfpflicht kommt, werde ich mich nicht impfen lassen.“ Sie würden dann aus dem Krankenhaus herausgedrängt, fürchtet Popp. Er leitet in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau eine der beiden Intensivstationen. „Es ist notwendig, dass wir Ungeimpfte in dieser schweren Zeit zusammenstehen“, betont er. „Wir werden strukturell diskriminiert.“
Das Interview wurde in den sozialen Netzwerken verbreitet. Dort wurde Popp bereits als „Querdenker“ und „Schwurbler“ bezeichnet. Auch die Krankenhausleitung hat sich bereits ausdrücklich von seinen Auftritt und seinen Äußerungen distanziert. Er habe seine Funktion missbraucht, um seine privaten Ansichten öffentlich und unautorisiert im Klinikkontext zu verbreiten, schreibt die BG Unfallklinik in einer Mitteilung. „Der Vorfall wird derzeit intern aufgearbeitet und es werden entsprechende Konsequenzen geprüft.“ Popp selbst war gestern nicht erreichbar, auch eine schriftliche Anfrage unserer Zeitung blieb unbeantwortet.
An der Unfallklinik Murnau liegt die Impfquote bei den Beschäftigten bei 84 Prozent. Bayernweit werden die Impfquoten der Klinikmitarbeiter oder der Pflegekräfte nicht erhoben. „Die Impfquoten sind regional sehr unterschiedlich“, sagt Anke Röver, Sprecherin der Vereinigung der Pflegenden in Bayern. Es gebe Kliniken, in denen sie weit über 90 Prozent liege. Aber auch Krankenhäuser, in denen die Impfquoten schlecht seien. Zum Beispiel in Rosenheim. Dort sind nur 70 Prozent der Mitarbeiter des Romed-Klinikums geimpft. Und auch dort haben sich erst vor wenigen Tagen ungeimpfte Pflegekräfte an einer Protestaktion beteiligt.
Nicht alle Pflegenden, die gerade ihren Frust öffentlich äußern, seien ungeimpft, betont Röver. Viele würden sich einfach darüber ärgern, dass ab März eine Impfpflicht nur für Pflegekräfte in Kraft tritt – nicht für alle Bürger. „Viele Pflegekräfte empfinden das so, dass die Verantwortung nun allein auf sie abgewälzt wird“, erklärt Röver. Auch die Vereinigung der Pflegenden hatte sich bereits für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen – und gegen die Beschränkung auf einzelne Berufsgruppen. „Die Pandemie werden wir nur besiegen, wenn die Impfquote in der gesamten Gesellschaft größer ist“, sagt Röver.