Kirchenschließung kein Tabu

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Wenn in der kleinen Filialkirche auf dem Land sonntags nur noch drei Menschen zur Messe kommen – kann man ein solches Gottesdienstangebot auf Dauer aufrechterhalten? Für Susanne Deininger, Pastoralreferentin im Pfarrverband Dachau St. Jakob, ist das eine der Fragen, die sich Pfarrverbände in Zukunft verstärkt stellen müssen, wenn über die Gesamtstrategie in der Erzdiözese München und Freising nachgedacht wird. Die Einnahmen der (noch) reichen Diözese gehen zurück. Für das laufende Jahr geht das Bistum von Kirchensteuereinnahmen von gut 615 Millionen Euro aus. Das wären rund 32 Millionen weniger als 2020. Im Jahr 2019 waren es noch 665 Millionen.

Deininger ist Teilnehmerin des Strategieprozesses, mit dem sich das Erzbistum auf die Seelsorge der Zukunft vorbereitet. Zusammen mit Generalvikar Christoph Klingan stellte sie jetzt die Ergebnisse des Prozesses vor. Es ist eine Art „Handwerkskasten“, den die 89 Teilnehmer – Hauptamtliche und Ehrenamtliche – entwickelt haben. Klar war nur: „An der Pfarreienstruktur wird festgehalten“, sagte Klingan.

Aber was mit den insgesamt 7000 kirchlichen Immobilien passiert, ob jede Gemeinde künftig noch ein Pfarrheim behält oder man sich von einem Pfarrhaus trennt, das wird künftig immer öfter diskutiert werden. Auch die Schließung von Kirchen ist kein Tabu mehr, wenn sie als Sakralraum nicht mehr gebraucht würden. Sie könnten, so ergab eine Nachfrage beim Ordinariat, als Ausstellungs- oder Veranstaltungsraum genutzt werden. An einen Verkauf von Kirchen aber werde derzeit nicht gedacht.

In einem noch nicht benannten Dekanat soll geprüft werden, welche Immobilien die Kirche künftig braucht. Ziel sei es, die hohe Baulast zu reduzieren, die von der Erzdiözese und den Kirchenstiftungen vor Ort zu tragen sei, sagte der Generalvikar. In der Erzdiözese gebe es mehr Pfarrhäuser als Pfarrer – da müsse überlegt werden, wie die Immobilien künftig genutzt werden oder ob man sich von Häusern trenne. „Wir wollen nicht die Gebäude um der Gebäude Willen erhalten.“ Pfarrheime könnten gemeinsam, auch ökumenisch oder mit der Kommune genutzt werden. Entschieden werde vor Ort, betonte Klingan. Ein Steuerungsmittel könnten aber auch die kirchlichen Zuschüsse sein.

Aber auch die Seelsorge kommt auf den Prüfstand, weil bis zum Jahr 2030 ein Drittel der pastoralen Mitarbeiter in den Ruhestand geht. „Wir wollen uns vor Ort besonders den Menschen in Lebenswenden widmen“, ist für Klingan eine der wichtigsten Aufgaben. Kirche müsse vor allem die Menschen in den Blick nehmen, die gerade ein Kind bekommen haben, die krank sind oder trauern. Das unterstrich auch Deininger: „Wo es um die konkrete Not der Menschen geht, da ist Kirche dringend notwendig.“

In Pilotprojekten soll 2022 ausprobiert werden, wie sich der Strategieprozess auf die Planung in einem Pfarrverband auswirkt. Deininger sieht das als einen Kulturwandel: „Wir gehen einer Zeit entgegen, in der wir nicht wissen, ob wir alle Stellen wieder besetzen können, was wir mit ganzer oder halben Kraft leisten können.“ Gemeinsam zu reflektieren, was man aufgeben müsse, sei leichter, als wenn es von außen vorgegeben werde. „Wir müssen miteinander schauen, was wir, auch wenn es wehtut, loslassen müssen.“ Im Pfarrverband sei zu überlegen, was gebraucht werde, „damit Seelsorge wirksam wird“. Wobei Deininger klar machte: Wirksamkeit lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Ein Fest mit 100 Teilnehmern müsse nicht „wirksamer“ sein als die Begleitung eines Sterbenden.

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