KOLUMNE

VON SUSANNE BREIT-KESSLER* Migrantentag

von Redaktion

Vor 21 Jahren, am 18. Dezember 2000, hat die UNO den ersten internationalen Tag der Migranten ausgerufen. Derzeit leben etwa 281 Millionen Menschen in einem anderen Land als dem, in dem sie geboren sind. Freiwillig – oder gezwungen durch die wachsende Zahl von Katastrophen, Konflikten und Kriegen, genötigt durch Armut und ökonomische Zwänge. Migranten und Migrantinnen stellen 3,6 Prozent der Weltbevölkerung dar. 75 Jahre ist es her, als das erste Care-Paket in Deutschland eintraf. Materielle Not herrschte. Der Hunger nach Trost und Hoffnung war groß. Eine andere Zeit. Und trotzdem … Immer sind es Menschen, die leiden, Kinder, Erwachsene, solche, die alt geworden sind. Menschen, die es schwer haben, die Anerkennung anderer zu gewinnen. Im Herbst vor 25 Jahren gab es rund 1,85 Millionen Flüchtlinge in Bayern. Fast zwei Drittel von ihnen wurden als ungeeignet für den Arbeitsprozess eingestuft. Sie alle mussten von der restlichen, davon wenig begeisterten Gesellschaft mitfinanziert werden. Trotzdem wurde diese Integration zu einer Erfolgsgeschichte. Integration ist eine Aufgabe, die gelöst werden kann, wenn beide Seiten ihren Beitrag leisten – die, die schon da sind, und die, die dazukommen. Weltweite Integration heute braucht wie damals Geduld und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Zum Migrantentag schreibt die UNO schwungvoll: „Migranten tragen mit ihrem Wissen, ihren Verbindungen und ihren Fähigkeiten dazu bei, stärkere und widerstandsfähigere Gemeinschaften zu bauen. Die globale, soziale und ökonomische Landschaft kann eine gute Gestalt gewinnen – durch wirkungsvolle Entscheidungen, die die Herausforderungen und Möglichkeiten globaler Mobilität und Menschen in Bewegung im Blick haben.“ Ein positiver Ansatz voller Selbstbewusstsein. Richtig so. Traut man sich selbst nicht über den Weg, tut man es bei anderen genauso wenig. Ist man misstrauisch im Blick auf die eigene Überzeugungskraft, fürchtet man die Stärke anderer umso mehr. Es braucht Achtung und Respekt vor sich selbst und vor anderen. Daran ist in diesen Tagen der wütenden Aggression gegenüber „der Politik“ und der Mehrheit im Land unbedingt zu erinnern. Demokratie hat ihren Nährboden in der Leidenschaft für Vielfalt und Gemeinsinn. Sie beginnt „vor Ort“, überall dort, wo sich Menschen mit Verve für die Gesellschaft einsetzen. Und wo sie mit Leib und Seele verstehen, dass die eigene Freiheit, auf die heute ständig gepocht wird, zur Verantwortung befähigt. Verantwortung wiederum braucht Freiheit, um das Miteinander konstruktiv gestalten zu können. Es tut gut, sich zu erinnern, was schon alles in diesem Land und weltweit geschafft wurde. Es macht Mut, auf Gelungenes stolz zu sein und – das Beste – aus Fehlern zu lernen.

* Susanne Breit-Keßler ist Vorsitzende des Bayerischen Ethikrates

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