Das Krippen-Glück vom Ammersee

von Redaktion

Solidaritätswelle nach verheerendem Brand in evangelischer Kirche in Utting

Utting – Es war eine Katastrophe, die am 25. August über die evangelische Pfarrgemeinde in Utting am Ammersee hereinbrach: Mitten in der Nacht brannte ihre 1927 errichtete Holzkirche ab. Doch das Gemeindeleben geht weiter – auch und vor allem an Weihnachten. Eine verkohlte Krippe überstand das Feuer, das Stroh wurde nur angesengt – es ist ein kleines Wunder und ein Zeichen der Hoffnung für die 4400 Gläubigen der evangelischen Gemeinde am Ammersee-Westufer. Pfarrerin Alexandra Eberhardt überraschte damit die Gläubigen beim Advents-Gottesdienst im katholischen Gemeindezentrum, in dem die obdachlos gewordenen Protestanten Asyl bekommen haben.

Vor vier Monaten war es geschehen: „Es war erst einmal schockierend“, erinnert sich die Pfarrerin an den Sommertag, als sie mit ihrem Ehemann Jochen – ebenfalls Pfarrer – ihren Italienurlaub abbrach und nach Hause eilte. „Wir haben erst einmal nur funktioniert“, berichtet die 49-Jährige. Es wurde ein Abschiedsgottesdienst von der Kirche in den Ruinen gefeiert. „Das war Balsam für die Seele“, erinnert sich die Pfarrerin an den Moment der gemeinsamen Trauer. „Zugleich haben wir schon am Tag des Brandes keinen Zweifel daran gelassen, dass wir die Kirche wieder aufbauen, diese Perspektive hat uns sehr geholfen.“

Die Gemeinde erfährt seitdem eine Welle der Solidarität von den Menschen am Ammersee-Westufer. Ein großer Trost für das Pfarrerehepaar: „Das hat meinen Mann und mich davor bewahrt, in Depressionen zu verfallen“, erinnert sich die Geistliche. Wie es zu dem Brand kam, ist immer noch ungeklärt. „Es könnte ein technischer Defekt gewesen sein, aber auch fahrlässige Brandstiftung von außen kommt infrage.“ Es habe Berichte gegeben, dass in der Brandnacht johlende Betrunkene randalierend durch Utting gezogen seien.

Die ersten Gottesdienste fanden im Freien neben der Kirche statt, später fand man Unterschlupf bei den Uttinger Katholiken. Doch es soll möglichst bald wieder in eine eigene Kirche gehen, die Planungen für den Neubau laufen auf Hochtouren. Die Architekten Lüps & Lüps aus Schondorf haben eine neue Kirche entworfen, die keine Kopie der abgebrannten Kirche sein, dennoch an sie erinnern soll. Wolf-Eckart Lüps zeichnete 1988 für den Umbau und die Generalsanierung der Kirche verantwortlich. „Wir werden die Kirchturmzwiebel der alten Kirche wiederverwenden“, verrät die Pfarrerin. Außerdem soll auch die Eingangstür der alten Kirche, die das Feuer überstanden hat, wiederverwertet werden.

Doch ein Problem haben die Protestanten vom Ammersee noch: Auch wenn die Brandschutzversicherung bezahlt, werden die Baukosten davon nicht gedeckt: „Der Neubau muss ganz andere Anforderungen erfüllen als der Altbau, etwa beim Energiemanagement“, erklärt die Geistliche. Um die Mehrkosten bewältigen zu können, haben viele Helfer mit fantasievollen Aktionen Spenden gesammelt.

So hat der Uttinger Peter Bauer 30 Kilo Zinn aus den geschmolzenen Orgelpfeifen gerettet, die er in Miniatur-Christuskirchen umgegossen hat. Diese wurden für 100 Euro pro Stück verkauft. 80 von 100 Stück waren Anfang Dezember schon verkauft, sodass Bauer über eine Neuauflage nachdachte. Der Rotary Club Ammersee-Römerstraße verkaufte Charity-Postkarten mit einem Aquarell der Künstlerin Claudia Mann, das die Christuskirche im Advent zeigt. Immer wieder finden Benefizkonzerte statt, im April kommenden Jahres ist ein Kirchen-Spendenlauf des örtlichen Sportvereines geplant.

Heiligabend feiert die Kirchengemeinde Andachten mit Krippenspiel-Pantomime, Christvesper und Christmette auf der Kirchenwiese mit Laternen und Fackeln, einiges wird im Livestream übertragen (evangelisch-am-ammersee.de, hier auch Infos zu den Gottesdiensten). Pfarrerin Eberhardt sagt: „Durch die Corona-Pandemie müssen wir zum Großteil im Freien feiern, wegen des Brandes sind wir es eben schon gewohnt.“ Der Besinnlichkeit soll das keinen Abbruch tun: „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir Weihnachten sehr schön und inspirierend feiern können.“ JOHANNES WELTE

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