München/Starnberg – Für viele ist Heiligabend das schönste Fest des Jahres – voller Gefühle. Schauspielerin Simone Rethel-Heesters hat mit übergroßer Wehmut nichts am Hut, obwohl sie die heiteren Weihnachtsfeste mit Johannes Heesters liebte und ihr Mann genau an Heiligabend vor zehn Jahren starb – mit 108 als ältester aktiver Schauspieler der Welt, nach 90 Bühnen- und 87 Film-Jahren. „Ich finde, Jopie hat sich einen schönen Tag für den letzten Vorhang seines Lebens ausgesucht – einen Festtag“, sagt die 72-Jährige. „Genauso wie sein Geburtstag, der 5. Dezember, einer der größten Feiertage der Niederlande ist. Da schließt sich doch ein Kreis – nach 108 erfüllten Jahren.“
Für Simone Rethel hat Weihnachten mit Jopies Tod nichts von seiner Feststimmung verloren und es gibt für sie auch keinen Grund, dauerhaft traurig zu sein. „Er war nicht lange krank, er musste nicht leiden – und der Tod gehört halt nun mal zum Leben.“ Bis zum letzten Herzschlag hielt Poppje ihrem Jopie die Hand. 25 gemeinsame Jahre waren ihnen gegönnt. „Jopie hatte viel Glück in seinem Leben“, sagt sie.
Der Schauspieler und Operettenstar feierte jeden Moment seines Dasein, rauchte dazu manchmal gern eine Zigarette und trank ein Gläschen Whisky oder mehrere. „Er hat sein Leben einfach genossen und nicht das halb leere Glas, sondern immer das halb volle Glas gesehen.“ An ein nächstes Leben aber hat er nicht geglaubt – genauso wenig wie Simone Rethel. Aber an das Jetzt. Seine Botschaft lautete: „Vorwärts denken, nicht zurückdenken, nicht sagen, hätt’ ich doch. Du verschwendest nur deine Zeit mit Dingen, die du nicht ändern kannst.“
Und genau das hat Simone Rethel übernommen. Deshalb bleibt Weihnachten für sie ein fröhliches und lautes Fest im Kreis der Familie, wie es das immer war – mit den Töchtern, Enkeln und Urenkeln der Heesters-Linie. Meistens bei Saskia Fischer in Hamburg, der Tochter von Nicole Heesters und dem Bühnenbildner Pit Fischer – wie schon zu Lebzeiten Jopies. Saskia Fischer ist selbst berühmt, seit 2007 ist sie Polizeioberrätin Küppers im Großstadtrevier. Nur letztes Jahr ist das große Fest wegen der Corona-Pandemie ausgefallen und dieses Jahr wird es wohl etwas kleiner. Doch bevor die Weihnachtsparty so richtig steigt, kriegt jeder eine Wunderkerze in die Hand. „Bis sie runtergebrannt ist, sind wir alle still und denken an Jopie. Das geht aber ziemlich schnell. Ganz so, wie er es gewollt hätte, denn er hätte ganz schnell gesagt: ,Macht doch endlich weiter!’“
Mit großen Rührseligkeiten hatte es Jopie nur auf der Bühne oder im Film zu tun, sonst war er eher pragmatisch. Auch in Sachen Weihnachtsgeschenke. Der gebürtige Niederländer wünschte sich immer Schönes zum Anziehen, weil er gern gut angezogen war; seiner Simone schenkte er Werkzeug, wie Schlagbohrer oder Sägen, eben alles, was sie am besten in ihrer Werkstatt gebrauchen konnte. Und natürlich überraschte er sie auch großzügig mit Schmuck, doch das Praktische stand bei Rethel-Heesters im Mittelpunkt.
Außer mit dem Tragen der beiden Eheringe am Ringfinger macht Simone Rethel-Heesters keinen Kult aus ihrer Liebe oder dem Tod. Sie will auch nicht ewig die Witwe sein, sondern als eigenständige Persönlichkeit wahrgenommen werden. Als Schauspielerin, Fotografin und Malerin. „Mit Jopie – das war sicher die schönste Zeit meines Lebens, aber jetzt muss ich auch wieder mein eigenes Leben haben. Das ist zu hundert Prozent die Auffassung, die Jopie hätte.“
Ob noch einmal ein Mann in Simone Rethels Leben kommt, wird die Zukunft zeigen. „Ich bin jedenfalls nicht auf der Suche“, sagt die gebürtige Herrschingerin, die in Starnberg weiterhin im Heesters-Haus, aber auch in München lebt. Jopies Zuhause hat Tochter Nicole Heesters geerbt, wie es der Wunsch aller war. Sie ist froh, dass Simone darin lebt und es pflegt. Nachbarn und andere Starnberger würden sich wünschen, dass die Straße nach Johannes Heesters benannt wird – oder der Platz davor. Das würde auch Simone Rethel-Heesters gefallen. So viel Ehre darf sein. Wie sagte doch Jopie einst: „Was hinter mir liegt, ist alles schön. Was vor uns liegt, ist interessanter.“ Diesen Satz lebt auch Simone Rethel. Und erst recht an diesem Heiligabend. ULRIKE SCHMIDT