München – Auch wenn die Zeit der absoluten Mehrheiten wohl vorbei ist: Die CSU ist immer noch die wichtigste bayerische Partei. Da vergisst man leicht, dass das kein Naturgesetz ist. Gerade in den Anfangsjahren tat sich die Partei sehr schwer, in Bayern Fuß zu fassen.
Der Historiker Thomas Schlemmer vom Münchner Institut für Zeitgeschichte hat im Nachlass des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Hans Ehard (1887-1980) Berichte von einer Inspektionsreise zweier CSU-Funktionäre in die bayerische Provinz Anfang der 1950er-Jahre gefunden. Die in der jüngsten Ausgabe der „Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte“ dokumentierten Berichte werfen ein Schlaglicht auf „überaus kritische Jahre“ (Schlemmer) der CSU. Zwischen 1948 und 1952 hatte die CSU vier Wahlen verloren, jetzt stand im September 1953 die Bundestagswahl an. Indiz für die „organisatorische Dauerkrise“ waren auch sinkende Mitgliederzahlen – von über 85 000 Mitgliedern 1948 fiel die Zahl zahlender Anhänger bis 1953 auf 33 000. Von 156 Kreisverbänden zählten 35 weniger als 100 Mitglieder.
Die Inspektionsreise führte den damaligen stellvertretenden Generalsekretär Alois Engelhard ab Januar 1953 zu Parteitagungen der örtlichen CSU-Gruppen in der Oberpfalz und nach Franken, wo sich ihm ein teilweise trostloses Bild bot. So klagten Regensburger CSU-Funktionäre, dass Stadträte Parteiversammlungen mieden und interne Gespräche meist in der örtlichen Zeitung landeten. Aus Haßfurt brachte der Generalsekretär die Erkenntnis mit: „Die Mitglieder zahlen schlecht, sind desinteressiert und können nur mit Mühe und Not und guten Worten bei der Sache gehalten werden.“ Im Kreis Amberg hatte die CSU nach dem Eindruck von Engelhard „die Führung an die Deutsche Gemeinschaft“, eine nationalistische Splitterpartei, abgegeben.
Interessant war die Rolle der Kirche. Im Gegensatz zu heute war die Einmischung der Kirche in die Parteipolitik – zugunsten der CSU – in der Nachkriegszeit noch eine Selbstverständlichkeit. Wo sich der Klerus weigerte, wurde dies mit Empörung vermerkt. „Der Klerus steht vollständig abseits“, vermerkte der Generalsekretär über Schwandorf. Aus Kulmbach hieß es: „Die evangelischen Christen und auch die Geistlichen sind noch nicht für die politische Mitarbeit zu gewinnen.“ Wie selbstverständlich besuchte der Inspektor bei seiner Reise oft zuerst den Stadtpfarrer.
Auffallend war damals die Zugkraft des damaligen Landtagspräsidenten Alois Hundhammer, den sich viele CSU-Anhänger als Redner vor Ort wünschten. Mehr aber noch wurde der damalige stellvertretende CSU-Chef Franz Josef Strauß erwähnt und sogar als „Bombe“ bezeichnet. Die Strahlkraft des jungen FJS, dessen CSU-Geschäftsstelle in Schongau sich zu einem „Hotspot politischer Aktivität“ für ganz Oberbayern entwickelte, war wahrscheinlich ein Faktor, der das deutsche „Wahlwunder“ im September 1953 ermöglichte. Damals holte die Union mit Bundeskanzler Konrad Adenauer 45,2 Prozent (plus 14,2 Prozent), weil sie etliche Splitterparteien aufsaugte – während die SPD bei 28,8 Prozent stagnierte. Die CSU trug zum Unionserfolg erhebliche 8,8 Prozent bei, wobei damals besonders gefeiert wurde, dass die Bayernpartei im Gegenzug den Einzug in den Bundestag verpasste. Zuvor gepflegte Überlegungen der CDU, sich wegen der Krise der CSU vielleicht doch nach Bayern auszubreiten, hatten sich damit erledigt. Damit war der Grundstein für den Aufstieg der CSU zur „Staatspartei“ gelegt – ein Nimbus, der derzeit langsam bröckelt. DIRK WALTER
Der Klerus mischte in der CSU mit