Dachau – Es war ein Mord, der bundesweit Schlagzeilen machte und den Alltag in den Gerichtsgebäuden komplett verändert hat. Vor zehn Jahren, am 11. Januar 2012, zog der Angeklagte Rudolf U. im Dachauer Amtsgericht während der Urteilsverkündung eine Waffe und erschoss einen 31-jährigen Juristen.
Angeklagt war der 54-jährige insolvente Transportunternehmer, weil er Geld veruntreut haben soll. Die ganze Verhandlung über verhielt er sich unwillig, fühlte sich ungerecht behandelt. Dann fiel das Urteil: ein Jahr auf Bewährung. Während Richter Lukas Neubeck das verkündete, zog U. eine Pistole und feuerte dreimal auf den Staatsanwalt Tilman Turck. Auch auf den Richter feuerte er, verfehlte ihn aber. Zwei Zeugen und ein Zollbeamter konnten den Mann überwältigen und ihn zu Boden drücken. Als sie ihm die Waffe entrissen, befand sich noch eine Patrone darin. Turck wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gefahren und starb dort kurze Zeit darauf. Jeder der beiden Schüsse, die den 31-Jährigen erwischt hatten, war tödlich.
Rudolf U. wurde drei Monate später wegen Mordes und dreifach versuchten Mordes zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Außerdem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest – damit konnte er auch nach 15 Jahren nicht entlassen werden. Ein gutes Jahr später starb der mittlerweile 56-Jährige auf der Krankenstation der JVA Stadelheim an Multi-Organversagen.
Vor dem Mord waren Sicherheitsschleusen oder Leibesvisitationen in deutschen Amtsgerichten nicht üblich. Das hat sich seit Januar 2012 allerdings geändert. Die Kontrollen sind langwierig und streng – nicht nur im Dachauer Amtsgericht. Überall kontrollieren Wachtmeister und Sicherheitsleute mittlerweile die Besucher. Außerdem gibt es inzwischen auch Metalldetektoren in den Gerichten.
Rudolf U. konnte damals noch ungehindert mit einer Waffe in der Jacke in den Gerichtssaal gelangen. „Der Gedanke der Justiz war, offen zu sein“, sagt der heutige Amtsgerichtsdirektor Aksel Kramer. „Das geht heute nicht mehr. Die Kontrollen müssen sein – zum Schutz des Personals, aber auch der Besucher.“
Bayerns damalige Justizministerin Beate Merk (CSU) kündigte unmittelbar nach dem Mord eine Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen an – und zwar landesweit. Seit 2012 wurden etwa 200 neue Planstellen für Justizwachtmeister geschaffen. Der Freistaat stellte Mittel in Höhe von 165 Millionen Euro für Sicherheitsmaßnahmen der Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Verfügung. Im Dachauer Amtsgericht ist seit damals außerdem eine Gedenktafel angebracht. Am zehnten Jahrestag des Mords werden dort keine Verhandlungen stattfinden. Geplant ist ein stilles Gedenken. THOMAS ZIMMERLY