Feldafing/Augsburg – Das Gespräch hat noch nicht richtig begonnen, da scheinen in Martha Stark schon die ersten Beklemmungen hochzukommen. „Das Kreuz muss sein?“, fragt die 64-Jährige ihr Gegenüber. Leicht irritiert greift der Augsburger katholische Bischof Bertram Meier nach seinem silbernen Brustkreuz. „Wenn es Sie nicht zu stark stört, dann würde ich es schon dranlassen.“
Robert Waldheim macht das christliche Symbol weniger aus. „Ich versteh’s“, sagt der 69-Jährige. Jeder habe sein Lebenswerk zu vollbringen. Zugleich hält er fest: „Es war für uns sehr schwer, was im Namen der Kirche passiert ist.“ Als Kleinkinder waren sie ins „Haus Maffei“ in Feldafing gekommen. Das Heim am Starnberger See liegt im Bistum Augsburg und geriet 2021 als Tatort vielfachen Kindesmissbrauchs in die Schlagzeilen. Schlimmster Täter soll der örtliche Pfarrer gewesen sein. Von schweren Vergewaltigungen in der Kirche ist die Rede und dass die Opfer weitergereicht worden seien.
Die „Augsburger Allgemeine“ und das TV-Magazin „report München“ haben Waldheim und Stark (Namen wurden geändert) zum Gespräch mit einem Bischof vor laufender Kamera gebracht. Das Ergebnis war am Dienstagabend in der ARD zu sehen. Die Langfassung von gut 18 Minuten ist in der ARD-Mediathek abrufbar – und geht an die Nieren. Eine Frage treibt Stark besonders um. Vom Bischof will sie vorab wissen, ob er ihnen auch glauben werde. „Ich vertraue Ihnen“, versichert Meier. Dann fügt er hinzu, was hier passiere, sei weder Theater „von mir noch von Ihnen“. „Heißt das, Sie würden sich am Schluss auch entschuldigen für unser Leid?“ Schon vorauseilend wolle er um Entschuldigung bitten, antwortet der Bischof. Aber letztlich liege es an den beiden, ob sie das annehmen könnten.
„Wir können nicht alles erzählen, aber das, was uns wehtut, die härtesten Sachen halt“, beginnt Waldheim. Immer am dritten Advent habe er in den Keller gemusst, dann sei er bis Dreikönig – „dem Freiheitstag“ – verteilt worden an verschiedene Pfarrer. Namen könne er keine nennen, aber Pfarreien. Er berichtet von Eisenstangen im Unterleib. Sieben Mal habe er genäht werden müssen. Zigarren habe der Priester an seinem Körper ausgedrückt. Eigentlich habe er keine Lust mehr gehabt herzukommen, sagt Waldheim. Doch jetzt sei er froh, dagewesen zu sein.
Stark quälen bis heute Albträume. Wenn sie sich nicht gefügt habe, sei ihr stets mit dem Teufel gedroht worden. „Ich glaub keinem Jesus mehr.“ Nach dem Gespräch sagt Meier dem BR, er habe „in einen tiefen Abgrund geschaut“. Nervös sei er vor diesem Termin gewesen, der für ihn auch ein „Experiment“ gewesen sei. Die Schilderungen aus erster Hand nennt der Bischof beschämend. kna