München – Im Kampf gegen das Virus eine hippe Lösung: Vor einem Jahr stellte Rapper Smudo von den „Fantastischen Vier“ die neue Luca-App vor. Damit sollten Gäste im Wirtshaus bequem per Smartphone einchecken, anstatt ihre Kontaktdaten auf Zetteln zu hinterlassen – und für die Gesundheitsämter sollte so die Kontaktverfolgung einfacher werden. Doch inzwischen wird der Nutzen der App infrage gestellt: In Bayern fordern Grüne und FDP das Aus von Luca – die App sei eine „teure Geldverbrennungsmaschine“, sagt Benjamin Adjei (Grüne).
Fast 450 000 Euro zahlt der Freistaat für die Luca-Lizenz – monatlich. „Mit der Ein-Jahres-Lizenz hat die Söder-Regierung bereits 5,5 Millionen Euro versenkt“, sagt Adjei. Gleichzeitig würde die App von den Gesundheitsämtern „kaum genutzt“ werden.
Laut einer Sprecherin des Landratsamts Miesbach wurde die Luca-App dort noch nie zur Kontaktverfolgung gebraucht. Gleiches gilt für den Landkreis München. In Rosenheim kam Luca insgesamt zweimal zum Einsatz. Auch das Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen konnte 2021 nur in „vereinzelten Fällen“ etwas mit der App anfangen, sagt Landratsamts-Sprecher Wolfgang Rotzsche, „und seit dem 1. Oktober haben wir sie gar nicht mehr genutzt.“ Das habe vor allem damit zu tun, dass Wirte nicht mehr zur Datenerfassung verpflichtet sind. „Außerdem haben wir festgestellt, dass die Akzeptanz für die App schwindet“, meint Rotzsche. „Auch bei uns im Landratsamt kann man mit der App einchecken – ich habe aber noch nie mitbekommen, dass jemand das gemacht hat.“ Aus dem Mühldorfer Landratsamt heißt es, die Luca-App habe aktuell „keine Bedeutung“ für die Kontaktverfolgung. Nicht mal in der Landeshauptstadt hält man die App für notwendig: „Die Luca-App hat keinen relevanten Nutzen für die Kontaktverfolgung“, sagt eine Sprecherin des Münchner Gesundheitsreferats.
Nicht nur in Bayern gerät Luca in Kritik. Von 13 Bundesländern, die das System nutzen, haben nun Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Bremen ihren Ausstieg aus dem System angekündigt: Die Lizenz für die App läuft am 5. April aus und soll nicht verlängert werden.
Skeptiker stellen neben dem Nutzen von Luca auch den Datenschutz infrage. Die IT-Experten der Hacker-Vereinigung „Chaos Computer Club“ stören sich vor allem an der zentralen Speicherung von Daten. Für Kritik sorgte auch, dass sich die Mainzer Polizei kürzlich bei Ermittlungen zu einem tödlichen Sturz rechtswidrig Daten aus der Luca-App besorgt hat. Laut einer ZDF-Umfrage haben sich Staatsanwaltschaft und Polizei in mehr als 100 Ermittlungsverfahren an Daten aus der Corona-Kontakterfassung, also vor allem aus der Luca-App, bedient.
„Das Digitalministerium steht seit der Einführung der App kontinuierlich in Kontakt mit den Datenschutzbehörden“, sagt ein Ministeriumssprecher. Dabei habe es „nie Hinweise auf Datenlecks“ gegeben. Das müsse man von einer „missbräuchlichen Nutzung“, wie etwa in Mainz, unterscheiden. Ob Bayern die Luca-App behalten möchte, sei noch unklar. „Zunächst muss geklärt werden, ob man die Kontaktverfolgung grundsätzlich noch für nötig hält.“ Sollte das der Fall sein, müsse ohnehin bald eine neue Ausschreibung für eine App stattfinden – dann könnten sich auch andere Anbieter bewerben.
„Und dass die App gar nicht genutzt wird, stimmt nicht“, sagt der Sprecher. In den vergangenen vier Wochen hätten immerhin 230 000 Menschen in Bayern mit Luca eingecheckt – und in den letzten 14 Tagen habe es 104 Warnhinweise gegeben. Bei täglich rund 20 000 Neuinfektionen im Freistaat hält sich der Effekt auf das Infektionsgeschehen allerdings in Grenzen.