Aiwangers umstrittene Vision von Bayern 2035

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Es klingt nach einem Wellness-Programm. Natur und Landschaft, so heißt es im Landesentwicklungsprogramm (kurz LEP), seien die „Säulen für die Marke Bayern“. Das Landschaftsbild werde von den Einwohnern als „besonderer Wert für Identität und Bindung zum Freistaat“ empfunden – und müsse geschützt werden. Kurz vor Weihnachten hat das federführende Wirtschaftsministerium den Entwurf eines in weiten Teilen umgeschriebenen LEP als Vision für das Jahr 2035 veröffentlicht. „Teilfortschreibung“ nennen das die Fachleute. Aber was bedeuten die dort veröffentlichten schönen Sätze konkret? Sind sie vereinbar mit dem nach wie vor verfolgten Bau der dritten Startbahn (wir berichteten), mit der großzügigen Ausweisung neuer Gewerbegebiete?

Holger Magel war lange Direktor der Akademie Ländlicher Raum und ist so etwas wie die graue Eminenz bei der Landesplanung. Er will das neue LEP nicht schlechtreden. „Es gibt auch positive Punkte.“ Aber eben auch negative. Ein Kritikpunkt ist der Flächenverbrauch in Bayern. Über zehn Hektar pro Tag werden derzeit versiegelt oder der Natur entzogen. Die bayerische Staatsregierung möchte den Wert auf fünf Hektar drücken. „Es ist nicht erkennbar, wie dieses Ziel erreicht werden soll“, kritisiert Magel.

In unzähligen Sitzungen hat er versucht, die Fachleute aus dem Ministerium dafür zu gewinnen, das Fünf-Hektar-Ziel auf die einzelnen Gemeinden herunterzubrechen – als „Richtwert“, damit sie eine Orientierung haben, wie viel sie verbrauchen sollten. Die Grünen forderten gar eine verbindliche Vorgabe für jede Gemeinde. Aber selbst der Magel-Plan stieß im Ministerium von Hubert Aiwanger (FW) auf kein Gefallen. Da sei der Lobbyismus der Gemeinden wohl zu stark, vermutet Magel.

Positiv wertet der Raumplaner, dass das Anbindegebot wieder kommen soll. Das heißt: Gewerbe- und Großprojekte wie etwa Hotelanlagen dürfen nicht mehr auf der „grünen Wiese“ abseits von Ortschaften entlang von Autobahnen entstehen – die vom damaligen Finanzminister Markus Söder 2018 erzwungene Öffnungsklausel wird rückgängig gemacht. „Da wurde was erreicht“, meint Magel. Allerdings weist Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann daraufhin, dass es eine lange Übergangsfrist geben wird – Gemeinden haben bis 2028 Zeit für einen Aufstellungsbeschluss. Einen Überblick, wie viele Projekte da noch drohen, hat das Ministerium nach eigenen Angaben nicht.

Holger Magel vermisst auch noch an anderer Stelle Wegweisendes – bei der Windkraft etwa. Im LEP heißt es – und das ist neu –, es sollten Vorranggebiete für Windräder ausgewiesen werden. Magel hätte es gerne konkreter – „wenn ich die Bevölkerung mitnehmen will, muss ich sagen, wo es die geben soll“. Innovationen im Sinne des Klimaschutzes sieht er aber auch: Erstmals wird es Vorranggebiete für die Landwirtschaft geben, der Moorschutz bekommt einen hohen Stellenwert, Wasserstoff-Projekte sind geplant, dem Radverkehr wird berücksichtigt: „Der Alltagsradverkehr im überörtlichen Netz soll möglichst auf baulich getrennten Radwegen geführt werden.“ Bis März haben Verbände Zeit, den LEP-Entwurf zu kommentieren. Aber auch – das ist neu – jede Privatperson darf sich äußern. 2023 soll das neue LEP verabschiedet werden.

KOMMENTARE ZUM LEP

sind möglich unter

lep-beteiligung@stmwi. bayern.de

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