Germering – Eine Gruppe von Niederländern hatte sich im Sommer 2017 zusammengefunden, um im Raum München und Umgebung Geldautomaten zu sprengen. So steht es in der Anklageschrift, die Oberstaatsanwalt Kai Gräber gestern vor dem Landgericht München II verlas. Ihm gegenüber saß ein 28-Jähriger, wohl der letzte einer kriminellen Bande, den es zu verurteilen galt. Gegen vier Männer und eine Frau hatte das Landgericht München I bereits Haftstrafen zwischen 20 Monaten und zwölfeinhalb Jahren verhängt. Dem 28-Jährigen war es gelungen, sich in die Niederlande abzusetzen, nachdem eine geplante Sprengung in Starnberg nicht geklappt hatte. Auf das Konto des Holländers gingen auch zwei Sprengungen in Leipzig, die noch zur Verurteilung ausstehen.
Erst im Dezember 2020 war der Mann in den Niederlanden festgenommen worden. Bis zur Auslieferung nach Deutschland saß er zunächst eine andere Haftstrafe ab. Im Juni kam er nach Bayern. Seinen Verteidigerinnen zufolge hatte der Angeklagte angeblich nichts mit der Bande und auch nichts mit anderen Sprengungen zu tun. Sie bagatellisierten seinen Tatbeitrag. Es sei ein einmaliger Freundschaftsdienst gewesen, hieß es in einer vorgetragenen Erklärung. „Er bat mich, einzuspringen und bot mir 10 000 Euro an, die ich gebrauchen konnte“, las die Anwältin im Namen des Angeklagten vor. Angeblich sollte er nur das Equipment wie zum Beispiel die Gasflaschen „reintragen“ sowie aufpassen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war der 28-Jährige aber der Sprenger.
Die anderen Bandenmitglieder mieteten als Verstecke in Poing (Kreis Ebersberg) und Gilching (Kreis Starnberg) Wohnungen an. Laut Anklageschrift war jedem der Tatbeitrag des anderen bekannt. In der Erklärung sprach der Niederländer von einer chaotischen Situation vor Ort. Er sei von einer Wohnung zur anderen gezogen, habe das hochmotorisierte Fluchtauto volltanken und sich umziehen müssen.
Vor der Sparda-Bank eskalierte die Lage dann. „Plötzlich rasten Autos mit starker Geschwindigkeit auf uns zu, ich rannte so schnell ich konnte“, las seine Anwältin vor. Angeblich versteckte er sich in einem Garten in Germering (Kreis Fürstenfeldbruck) und betete. Sein Komplize wurde gefasst. Am nächsten Tag kaufte sich der 28-Jährige ein Zugticket und fuhr nach Holland zurück. Dort tauchte er in Amsterdam unter. „Ich war in dieser Zeit so einsam wie noch nie“, hieß es weiter in der Erklärung. Seine Festnahme sei wie eine Erlösung gewesen, schilderte eine Verteidigerin. Zu den Zukunfts-Plänen ihres Mandanten sagte sie, dass der Mann weiter als Betreuer arbeiten wolle und sich Kinder wünsche. Er habe eine Freundin, die er heiraten wolle.
Oberstaatsanwalt Kai Gräber holte den Angeklagten und die Verteidigung rasch auf den Boden der Tatsachen zurück. „Durch diese Erklärung wird das Verfahren nicht schlanker“, bemerkte er trocken. Allein bei einem voll umfänglichen Geständnis mit Anerkennung der Bandentätigkeit würde er vier Jahre und elf Monate Haft beantragen, sagte er. Darauf ließ sich der Angeklagte ein und räumte alle Vorwürfe der Anklage ein. Das Urteil soll Freitag fallen.