„Kommunen müssen nicht tatenlos zusehen“

von Redaktion

München – Rund 170 Versammlungen mit geschätzt 68 000 Teilnehmern in ganz Bayern. Das ist die Bilanz der bayerischen Polizei zu den sogenannten Montagsspaziergängen in dieser Woche. Seit Anfang Dezember gehen die Gegner der Corona-Maßnahmen im gesamten Freistaat vermehrt auf die Straße – und viele Kreisverwaltungsbehörden ringen darum, wie sie mit diesen meist unangemeldeten Versammlungen umgehen sollen. Manche erlassen Allgemeinverfügungen, nicht immer halten diese vor Gericht stand. Andernorts lautet die Linie: Deeskalation, so lange die Proteste friedlich bleiben.

Gestern gab Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Innenausschuss des Landtags eine Einschätzung zur aktuellen Lage ab. Er sagte, vor allem die Debatte über eine allgemeine Impfpflicht habe die Demo-Beteiligten massiv mobilisiert. Der überwiegende Teil der Versammlungsteilnehmer sei dem bürgerlichen Spektrum zuzuordnen. „Doch auch rechtsextreme Akteure sind vermehrt aufgesprungen.“ Das scheine vielen anderen Teilnehmern nicht bewusst zu sein. Weil sich die Gegner der Corona-Maßnahmen laut Herrmann zunehmend radikalisierten, wurde Ende vergangenen Jahres vom Landesamt für Verfassungsschutz eine Corona-Sonderauswertung eingerichtet, um gewaltbereite Strukturen in der Szene zu erkennen. Seit der Einrichtung dieser Sonderauswertung seien bis zum 18. Januar in Bayern 1011 Versammlungen mit Corona-Bezug in rund 300 Städten und Orten bekannt geworden. 782 davon waren nicht angemeldet. Bei 68 Versammlungen konnte eine Beteiligung von Rechtsextremen oder sogenannten Reichsbürgern festgestellt werden. „Nur bei vergleichsweise wenigen Veranstaltungen waren Extremisten beteiligt“, sagt Herrmann. Doch Rechtsextreme tragen nach seinen Angaben zur Mobilisierung bei und seien teilweise auch organisatorisch involviert. Besonders aktiv: Die rechtsextreme Kleinpartei „Der III. Weg“. Aber auch eine Gruppierung mit dem Namen „Kollektiv Zukunft schaffen – Heimat schützen“ aus Nordbayern suche mit Aufrufen auf Telegram Anschluss ans bürgerliche Spektrum.

Die Entscheidung, ob und wie gegen die „Spaziergänge“ vorgegangen werden soll, müsse aber weiterhin von den Kreisbehörden vor Ort in Abstimmung mit der Polizei getroffen werden. „Es gibt kein einheitliches Vorgehen der Polizei, weil es kein einheitliches Vorgehen der Demonstranten gibt“, entgegnete Herrmann den Abgeordneten von SPD und Grüne, die sich für eine stärkere Koordination aus dem Innenministerium aussprachen. „Wenn es zu Gewalt oder Verstößen gegen die Corona-Bestimmungen kommt, dann müssen die Kommunen nicht tatenlos zusehen“, sagte Herrmann. Das Beispiel München zeige: Eine Allgemeinverfügung habe gerichtlich Bestand, wenn die Erfahrung zeigt, dass Regeln nicht eingehalten wurden. In Starnberg hingegen habe es keine konkreten Hinweise auf Regelverstöße gegeben, deshalb sei die Verfügung dort gekippt worden. „Ich respektiere aber auch, wenn Städte wie Regensburg sagen, wir halten eine Verbotsverfügung nicht für richtig.“ DOMINIK GÖTTLER

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