München – Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat eine unabhängige Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum München und Freising gefordert. „Ich stelle mir die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt noch möglich ist, dass die Kirche intern die Aufklärung selbst bewerkstelligen kann“, sagte Aigner. „Das muss unabhängig aufgeklärt werden“, betonte die CSU-Politikerin. „Dazu gehört auch ein Einblick in die Archive für die Strafverfolgungsbehörden des Staates.“
Auch zu den Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch sieht Aigner Gesprächsbedarf: „Bei Mord gibt es keine Verjährungsfristen. Zu Recht. Ich glaube, dass man sich auch hier über diese Frage unterhalten muss.“ Das vom Erzbistum in Auftrag gegebene Gutachten hatte gezeigt, dass Fälle von Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt worden waren. Die Gutachter gehen von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus sowie einer deutlich größeren Dunkelziffer. „Ich bin zutiefst erschüttert“, sagte Aigner zum Ausmaß der Taten. „Es zieht die Glaubwürdigkeit der Kirche enorm in Zweifel, wenn solche Fälle nicht aufgeklärt werden und wenn durch Vertuschung erkennbar der Täterschutz vor dem Opferschutz steht.“
Vom emeritierten Papst Benedikt erwartet Aigner eine Entschuldigung. Dass einige Gemeinden die Ehrenbürgerwürde für ihn überprüfen wollen, könne sie verstehen. „So leid mir das persönlich tut“, sagte Aigner. „Wir alle waren damals hocherfreut und stolz, als Benedikt unser Papst wurde. Jetzt ist die Situation tragisch – ich vermisse von ihm klare Worte, er sollte sich entschuldigen.“ Benedikt hatte eingeräumt, in einem wesentlichen Punkt des Gutachtens eine Falschaussage gemacht zu haben. Die Politikerin fordert mehr Tempo beim Reformprozess. „Es ist schädlich, dass dieser Weg so lang dauert: Die Hütte brennt, und das Feuerwehrauto bleibt stecken und kann nicht löschen.“ lby