Aus der Bevölkerungsprognose für Bayern geht hervor: Oberbayern wächst weiterhin, während besonders Landkreise in Oberfranken eine Abwanderung von jungen Menschen befürchten müssen. Rainer Klein aus dem Landkreis Wunsiedel sieht eine große Chance, dass Oberbayern genau dorthin ziehen. Er ist Bürgermeister in Tröstau, einer Gemeinde mit etwa 2200 Einwohnern.
Warum denken Sie, die Zukunft liegt in Oberfranken?
Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass der nordbayerische Raum die Zukunftsregion sein wird. Menschen aus der Mittelschicht oder der oberen Mittelschicht können sich in Ballungsräumen in Bayern keine adäquate Wohnung oder ein Haus leisten. In München kostet ein Einfamilienhaus 2,5 bis 2,8 Millionen Euro. Das zahlt ein gut verdienender Angestellter doch nie ab. Wie soll das funktionieren?
Welche Gründe hätten Oberbayern denn, nach Nordbayern zu ziehen?
Die Chance für uns liegt im Homeoffice, das sich durch Corona etabliert hat. Konzerne sehen, dass der Betrieb weiterhin läuft und dass sie sich so Infrastrukturkosten sparen können. Eine Familie zahlt, von dem Geld für eine kleine Wohnung, bei uns ein ganzes Haus ab. Ein- oder zweimal die Woche in den Betrieb pendeln, ist auch kein Problem.
Was ist das größte Problem von Landkreisen wie Wunsiedel?
Wir haben aktuell ein Imageproblem. Wenn Menschen an Nordostbayern denken, haben viele noch das alte Dreiländereck – DDR, Tschechien, Bayern – im Kopf. Konkret denken viele: Man fährt aus einem Dorf heraus, dann sind es noch 50 Meter bis zum Ende der Platte. Aber das stimmt nicht! Bayreuth liegt nur 50 Kilometer entfernt, da fährt man eine Dreiviertelstunde hin. In Großstädten sind 45 Minuten im öffentlichen Nahverkehr gar nichts.
Wer zieht aus Tröstau weg? Und warum?
Wir verlieren aus den Jahrgängen 1982 bis 2001 sehr viele Menschen. Das sind Menschen, die beruflich im Leben stehen. Dieser Abgang tut Gemeinden besonders weh. Das ist schade, denn in Tröstau sind wir infrastrukturell gut aufgestellt. Wir haben Kindergärten, eine Grundschule, Arzt und Zahnarzt.
Was machen Sie, um Menschen aus Oberbayern nach Tröstau zu locken?
Wenn ich die Ressourcen hätte, beispielsweise Investoren für Mehrfamilienhäuser, dann würde ich aktiv werben. Aktuell versuchen wir eher Leerstände zu beseitigen. Wir suchen Ärzte und Spezialisten, die sich hier ansiedeln wollen.
Wie teuer sind aktuell die Mieten in Tröstau?
Der Mietspiegel liegt etwa bei vier bis sechs Euro. Aber in Tröstau speziell gibt es dafür auch keine Wohnung mehr. Wir haben in den letzten Jahren verstärkt Einfamilienhäuser dazu bekommen, hier liegt der Quadratmeterpreis für ein Baugrundstück etwa bei 55 Euro. Seitens der Gemeinde sind wir sehr interessiert daran, Mehrfamilienhäuser herzulocken. Mit Einfamilienhäusern können wir den Wegzug nicht kompensieren.
Welche Art Mensch passt zu Tröstau?
Menschen, denen Natur, Freizeit und eine ruhige Wohngegend wichtig sind. Kulturell findet hier alle zwei Jahre eine Kunstkirchweih statt, mit regionalen und überregionalen Künstlern. Wer gehobenere Ansprüche hat, kann sich ins Auto setzen und muss lediglich eine Stunde fahren. Aber das muss er in München auch.
Was macht Tröstau aus?
Die Lebensqualität hier in Tröstau, im gesamten Fichtelgebirge, ist hoch. Der Wald liegt vor der Tür, es gibt einen Segelflugplatz und einen Golfplatz. Letzte Woche bin ich mit meiner Familie auf eine Berghütte gewandert. Der Hüttencharme ist so wie in den Alpen! Hier gibt’s eine Halbe Bier noch für 2,50 und ein Schnitzel für zehn Euro. Lebensqualität, die man sich leisten kann.
Interview: Alexandra Pöhler