München – Arbeitgeber und Betriebsrat am Flughafen München haben sich nach längeren Verhandlungen auf Änderungen bei Notlagen-Tarifvertrag verständigt. Der Tarifvertrag war abgeschlossen worden, um die Krise der Luftfahrt für die Beschäftigten abzufedern. Mittlerweile gibt es jedoch einen leichten Aufwärtstrend. Der Betriebsrat drang deshalb darauf, die in dem Tarifwerk vorgesehene Kürzung der Arbeitszeit nebst Lohnabzug nicht oder nur teilweise umzusetzen. Dies sei gelungen, sagte Betriebsrat Orhan Kurtulan unserer Zeitung. „Es ist nicht so schlimm gekommen wie befürchtet.“ Der Einsatz des Betriebsrats, der auch die Einschaltung einer Einigungsstelle vor Gericht nicht ausgeschlossen hatte, habe sich gelohnt.
Statt der ursprünglich vorgesehenen Arbeitszeitverkürzung von sechs Prozent wird die Wochenarbeitszeit bei der FMG nur um rund zweieinhalb Prozent reduziert. „Das entspricht bei Vollzeitbeschäftigten einer Stunde pro Woche“, erklärte die FMG. Das Verhandlungsergebnis sei nach Ansicht aller Beteiligten „ein ausgewogener Kompromiss“. Ganz auf die Maßnahmen des Notlagen-Tarifvertrags habe das Flughafen-Management „angesichts der derzeit schwierigen Situation im Luftverkehr“ nicht verzichten wollen.
Zugleich bekräftigte Flughafen-Chef Jost Lammers bei einer Anhörung im Bayerischen Landtag, die Corona-Krise zu überwinden. 2024, „spätestens 2025“ werde bei Flugbewegungen und Passagieren das Vor-Corona-Niveau erreicht. „Die Aufholjagd hat begonnen.“ Auch die 3. Startbahn sei langfristig weiter notwendig, betonte der Flughafenchef. Derzeit ist die Zahl der Flüge nur etwa halb so hoch wie noch 2019. Im Januar 2022 starteten und landeten gut 16 000 Flugzeuge, im ganzen Jahr 2021 waren es gut 150 000 Flüge. Zum Vergleich: In den Jahren 2007/08 erreichte der Flughafen je 438 000 Flüge – bis heute der Höchstwert.
Bei der Anhörung hakte der Freisinger Grünen-Abgeordnete Johannes Becher insbesondere beim innerdeutschen Flugverkehr kritisch nach. Er nannte als Beispiel die Flugverbindung München–Hamburg, wo nach seiner Zählung bis zu 24 Flugzeuge am Tag unterwegs seien, teilweise fast zeitgleich. Die Flugvermeidung müsse „erste Prämisse“ sein, forderte Becher.
Der Münchner Lufthansa-Chef Stefan Kreuzpaintner bestritt die von Becher genannte Gesamtzahl („höchstens 15“) und schätzte Streichungen am innerdeutschen Flugverkehr als nicht machbar ein. Die Kurzstreckenflugzeuge seien gut ausgebucht und nicht etwa nur halb voll – deswegen könne man keine Flüge streichen und auch nicht zwei Flüge einfach zusammenlegen. Ohnehin seien die innerdeutschen Flüge für die Lufthansa „die wirtschaftlichsten“. Die Lufthansa habe aber die Flugverbindung München–Nürnberg gestrichen, indes prompt Marktanteile verloren. Die Passagiere in Nürnberg stiegen nur ungern in den ersatzweise angebotenen Bus, um den Flughafen München zu erreichen und dann den Interkontinental-Flieger zu nehmen. Lieber suche man sich gleich ein anderes Drehkreuz.
Einig waren sich die Luftfahrt-Experten bei der Anhörung, dass die Luftfahrt das Thema „grüner Treibstoff“ (Sustainable aviation fuel, kurz SAF) forcieren müsse. Die 2020er-Jahre seien „das Jahrzehnt der Transformation“, sagte der Flughafen-Chef Lammers. Becher äußerte sich auch hier skeptisch: Derzeit werde bei weniger als 0,1 Prozent der Flüge grüner Treibstoff eingesetzt – „das ist ein Projekt von Jahrzehnten“. DIRK WALTER
Streit um Kurzstreckenflüge