München – Eigentlich war das vergangene Jahr ein Horrorjahr für Bayerns Bierbrauer. Volksfeste fielen einmal mehr der Pandemie zum Opfer, die Gastronomie war zu Beginn des Jahres noch zur Schließung gezwungen, später dämpfte die Sperrstunde den Bierdurst. „Da rinnt so mancher Traditionsbrauerei das Lebenswerk durch die Hände“, sagt Georg Schneider, Brauereichef von Schneider Weisse und Präsident des Bayerischen Brauerbunds. Fünf bayerische Brauereien haben nach Verbandsangaben in der Pandemie für immer ihren Betrieb eingestellt. Oberbayerische Betriebe waren allerdings keine dabei. Und das hat einen Grund. Denn zwei Trends spielen den bayerischen und davon ganz speziell den oberbayerischen Brauern in die Karten.
Trend eins betrifft das Inland. Wie berichtet sind die Deutschen beim bayerischen Hellen auf den Geschmack gekommen. Während südlich des Weißwurstäquators die süffige Variante seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Bieren zählt, stibitzen Bayerns Brauer nun auch deutschlandweit dem Pils immer mehr Marktanteile ab.
Trend zwei betrifft ebenfalls den Export, diesmal aber in die weite Welt hinaus. Hier verzeichnen die bayerischen Brauereien einen Rekord. Mit einem Anteil von 24,8 Prozent geht so viel Bier wie nie aus Bayern ins Ausland. Und zwar nicht nur zum Fast-Nachbarn nach Italien, auch Russland, China oder Großbritannien schwören speziell auf oberbayerische Bierkunst. Hier wiederum ist das Weißbier der Dauerbrenner – und zwar nicht nur von den großen Platzhirschen wie Franziskaner oder Erdinger, auch kleinere Brauer haben sich laut Verband im Export eine Nische aufbauen können.
Diese beiden Trends führen dazu, dass Bayern als einziges Bundesland in Deutschland ein kleines Plus (2,1 Prozent) beim Gesamtbierabsatz im Vergleich zum ersten Corona-Jahr verzeichnen kann. „Wir sind mit einem weiß-blauen Auge davongekommen“, sagt Georg Schneider.
Trotzdem fehlen im Vergleich zum Vorkrisenniveau immer noch 500 000 Hektoliter, das sind nicht ganz unerhebliche 50 Millionen Mass Bier. Um das aufzuholen, bräuchte es ungefähr sieben Oktoberfeste. Denn an einer Entwicklung hat sich nichts geändert: Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Lag der Pro-Kopf-Konsum in den 70er-Jahren noch bei rund 150 Litern pro Jahr, sind es heute nur noch gut 90 Liter. Die demografische Entwicklung tut ihr Übriges. Die Babyboomer-Jahrgänge kommen langsam ins Rentenalter. Es fehlt, vereinfacht ausgedrückt, der Biertrinkernachwuchs. Daran werden auch eine Rückkehr der Volksfeste und offene Zapfhähne in den Wirtshäusern nicht viel ändern.
Für den heimischen Abnehmer setzen Bayerns Brauereien deshalb schon seit Jahren auf die alkoholfreie Alternative. Der Marktanteil von alkoholfreien Bieren und Biermischgetränken liegt laut einer Umfrage des Brauerbunds mittlerweile bei 7,6 Prozent. „Alkoholfreies Bier hat Zukunft“, bilanziert Georg Schneider. „Es hat keinen oder kaum Alkohol, dazu wenig Kalorien.“ Und, da ist er überzeugt, mittlerweile schmeckt es auch richtig gut.
Georg Schneiders größter Wunsch: Dass die Menschen im Freistaat so schnell wie möglich zu einem „bayerischen Lebensgefühl“ zurückfinden. Dass zu diesem Lebensgefühl eine Halbe bayerisches Bier gehört, ist für den Brauereichef natürlich selbstverständlich.