Schwierige Suche nach Ursachen

von Redaktion

VON DIRK WALTER

Schäftlarn – Kommt Mammut, kommt Zeus – oder Herkules? Es gibt nur fünf Notfallkräne der Bahn, die nach solch schweren Zugunglücken ganze Waggons vom Gleis heben können. Die Münchner Notfallmanager haben jetzt einen solchen aus Fulda angefordert, um die zerstörten S-Bahn-Wagen vom Gleis zu schaffen – die Beinamen zeigen, dass es sich um Giganten handelt. Er steht in Bereitschaft. „Sofern der Sturm es zulässt, geht es am Donnerstag los“, sagt ein Bahnsprecher.

Die S-Bahn-Züge dürften an einem geheimen Ort sichergestellt werden – bis die Ursachen des Unfalls mit einem Toten und 16 Verletzten geklärt sind. Das kann dauern, es gibt Fortschritte, aber viele offene Fragen. Einiges deutet auf Fehler des Lokführers, der mit seiner S-Bahn (Zugnummer 6785) offenbar vorzeitig den Bahnhof Ebenhausen-Schäftlarn verließ und wenig später in einer Kurve gegen die stehende S-Bahn aus München krachte. An die beiden schwer verletzten Lokführer, aber auch an die Fahrdienstleiter dürfte die Staatsanwaltschaft München I Fragen richten.

Ein Kernpunkt der Ermittlungen ist, warum der Lokführer in Ebenhausen-Schäftlarn das noch auf Rot stehende Ausfallsignal („Asig“) überfuhr. Die Signalmissachtung war ein Fehler, doch er hätte sich ausbügeln lassen, wenn sich dem nicht ein zweiter, weit gravierende Fehler angeschlossen hätte: die Eliminierung der Zwangsbremsung.

Wenn ein Zug wie hier ein Rotsignal überfährt, wird er automatisch zwangsgebremst. Es kann im alltäglichen Betrieb passieren, vor allem, wenn ein Signal erst kurz vor der Vorbeifahrt auf Rot springt. Dann aber ist es Pflicht jedes Lokführers, mit dem zuständigen Fahrdienstleiter (in Wolfratshausen und Höllriegelskreuth) via Bordfunk in Kontakt zu treten. Hat er das getan oder nicht? Und: Kamen da Anweisungen und welche? Aus irgendeinem Grund jedenfalls wurde die Zwangsbremsung vom Lokführer aufgehoben und er fuhr weiter. „Technisch ist das möglich“, sagt ein Kenner der Materie. „Aber es ist eine absolute Todsünde, wenn er das ohne Befehl des Fahrdienstleiters gemacht hätte.“

Etwa zur selben Zeit am Montag kurz nach 16.30 Uhr hatte sich von Norden die S7 aus München (interne Nummer 6776) genähert. Sie war zehn Minuten verspätet – wieder mal eine Bahnübergangsstörung (in Pullach). Kurz vor Überfahren des Einfahrsignals („Esig“) zum Bahnhof Ebenhausen-Schäftlarn schaltete dieses auf Rot – weil der vorausliegende Gleisabschnitt ja durch den sich nähernden Zug belegt war. Es folgte ebenfalls eine Zwangsbremsung, es ist unklar, ob die S-Bahn beim Crash schon stand oder noch rollte. Hier reagierte der Lokführer offenbar richtig – er funkte seinen Fahrdienstleiter in Höllriegelskreuth an. Noch während des Gesprächs rauschte dann die andere S-Bahn heran. Weil der Fahrdienstleiter offenbar noch warnte, konnte der Lokführer der S-Bahn 6785 noch von 70 km/h herunterbremsen – die Aufprallgeschwindigkeit betrug nach Angaben aus Einsatzkreisen 57 km/h. „Sch…, da kommt ein Zug“, war wohl die letzte Aufzeichnung vor dem Crash.

In Schäftlarn ringt man um Fassung. Allein der laute Knall durch den Zusammenstoß war weithin zu hören. Und viele S-Bahn-Pendler haben bohrende Fragen – etwa, ob man sich mit den vielen Störungen auch künftig abfinden muss und ob eingleisige Strecken wirklich sicher sind. Am Freitag, 19 Uhr, findet vor Ort ein ökumenischer Gedenkgottesdienst statt.

Lokführer im Fokus

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