Carolin Reiber und Maria von Welser sind eng befreundet. Und diese Freundschaft war der 75-jährigen von Welser in den letzten Jahren eine wichtige Stütze. Die Fernsehjournalistin und Kämpferin für Frauenrechte musste eine Gehirntumor-OP durchstehen. Kürzlich wurde sie an der Hüfte operiert. In der Reha-Klinik Jägerwinkel am Tegernsee erholt sie sich von den Strapazen. Und ihre Freundin Carolin Reiber unterstützt sie, mit Besuchen, Anrufen, Briefen und Päckchen. Die beiden kennen sich seit mehr als 60 Jahren. Schon ihre Eltern waren befreundet. Die zwei Frauen könnten unterschiedlicher kaum sein. Die 81-jährige Reiber, Königin der Volksmusikshow, war stets der leichten Unterhaltung zugetan. Von Welser immer gesellschaftspolitisch engagiert. Auch in politischen Fragen sind sie oft unterschiedlicher Meinung. Doch trotz aller Unterschiede: Die gebürtigen Münchnerinnen sind füreinander da. Maria von Welser lebt inzwischen in Hamburg, Carolin Reiber in München. Bei einem Gespräch am Tegernsee erzählen sie, was ihre Freundschaft ausmacht.
Wie hat Ihre Freundschaft begonnen?
Carolin Reiber: Es gab in der Neuhauser Straße die Schüssel-Passage, wo schon meine Großmutter und meine Mutter eingekauft haben. Und die gehörte dem Kaufmann und Konsul Eduard Schüssel, Marias Vater. Als ich 1958 die jüngste Münchner Faschingsprinzessin war, war er mir eine große Hilfe, so hat sich das entwickelt.
Maria von Welser: Ich kann mich an Carolin auf meiner ersten Hochzeit 1967 erinnern. Da stand sie hochelegant mit einem schicken Hut in der Tür der St.-Laurentius-Kirche in Rottach-Egern. Sie hat mir einen wunderschönen blauen Rosenteller geschenkt, den habe ich heute noch. Erst später, als ich zum Fernsehen gegangen bin, haben wir uns öfter gesehen, da war Carolin schon berühmt. Als ich meine erste Fernsehsendung vor mir hatte, habe ich sie angerufen und um Rat gefragt – ich hatte Radio gemacht und keine Ahnung. Sie sagte: Sei du selbst.
Haben Sie sich gegenseitig im Fernsehen beobachtet?
Von Welser: Als ich die Rundschau moderiert habe, war Carolin längst der große Star, sie hat die großen Volksmusiksendungen gemacht und ging dann zum ZDF. Das war was völlig anderes, als ich gemacht habe – mit Nachrichtenjournalismus und Politik. Aber natürlich sieht man, was die jeweils andere macht.
Ihre beruflichen Wege führten dann auseinander – für Frau von Welser nach Mainz, London und Hamburg, Frau Reiber blieb ihrer Heimat München treu.
Reiber: Richtig. Aber ein glücklicher Moment hat mir Maria zugespielt – es war Messe und Maria musste schnell nach München und es gab kein Zimmer. Aber bei mir! Da hab ich mich echt angestrengt und seither bleibt sie bei mir, wenn sie nach München fährt. Es ist so schön, wenn sie da ist.
Von Welser: Das ist ja auch immer ein überbordendes Angebot bei Carolin – das Zimmer ist wunderschön hergerichtet; da gibt’s frische Blumen, Zeitungen, ich werde sehr verwöhnt.
Wie wichtig ist Freundschaft – wenn man jünger und wenn man älter ist?
Von Welser: Freundschaft ist ein sehr hohes Gut, das hat nichts mit dem Alter zu tun. Man kann über alles reden.
Reiber: Das find ich auch. Freundschaft hält jung und hat eine starke Kraft.
Wie oft telefonieren Sie?
Von Welser: Drei Mal die Woche.
Reiber: Es ist einfach was Schönes, wenn man sich so lange kennt. Jeder ist seine eigenen beruflichen Wege gegangen, und ich war immer voll der Bewunderung für Marias weltweite Einsätze und ihre Bücher, die die Situation von Frauen und Kindern beleuchtet haben, besonders auch in Tibet.
Weltpolitisches Geschehen spielt in Ihren Gesprächen eine große Rolle – was noch?
Von Welser: Ich schimpfe über den Herrn Söder (lacht). Reiber: Wir haben schon unterschiedliche Meinungen, aber das ist ja auch gut.
Wie wichtig ist Verlässlichkeit in einer Freundschaft?
Von Welser: Sehr wichtig! Zuverlässigkeit, Ethik, Moral –das sind alles Dinge, die in einer Freundschaft große Bedeutung haben.
Reiber: Freundschaft muss auch wachsen. Heute werden Freundschaften über Facebook, Instagram und Internet gesucht. Ich finde, es geht nur über den direkten Kontakt. Es dauert doch auch ziemlich lange, bis du jemanden wirklich ins Herz schließt – mit dem, was er sagt, was er tut, was er meint. Das muss einem ja auch liegen, man muss unterschiedliche Ansichten respektieren können.
Und dann gibt es Freundschaften, die plötzlich zu Ende sind…
Reiber: Ich sage immer, die verwelkt sind. Davon gibt es bei mir zwei. Die Freundschaft klingt aus, man hat keine Themen mehr.
Von Welser: Wenn so etwas passiert, erschüttert mich das, weil ich nicht weiß, was ich angestellt habe. Dann schreib ich einen Brief, rufe an, und es kommt nichts zurück. Das finde ich in höchstem Maße irritierend, nicht zu wissen, warum. Man muss es doch sagen können!
Wie viel Ehrlichkeit braucht und verträgt Freundschaft?
Von Welser: Man kann sich alles sagen, was den anderen nicht verletzt.
Reiber: Man sagt aber doch manchmal auch was und weiß gar nicht, dass es den anderen trifft, einfach, weil man es gut meint.
Von Welser: Meine Mutter sagte immer: Gut gemeint ist das Schlimmste.
Reiber: Ich bin schon eine, die ganz gern ehrlich ist. Bei Maria bin ich sehr ehrlich.
Von Welser: Also, es hat schon mal eine Situation gegeben, wo ich einen Tag später bei Carolin noch mal meine Meinung dazu gesagt habe. Und da hat sie gesagt: Gut, dass du es mir sagst.
Reiber: Ja, natürlich! Und du hast zu mir in meiner Bauernstube gesagt: Mach einmal ein gescheites Licht. Ich fand mein Licht eigentlich sehr schön. Doch als Maria weg war, hab ich mir das genauer angeschaut und habe die Glühbirnen ausgetauscht. Es ist schön, wenn man eine Freundin hat, von der man weiß, die ist gescheit und es macht Sinn, was sie sagt. Mir ist Maria so ans Herz gewachsen, dass ich voller Freude bin, wenn ich mit ihr spreche.
Mit der digitalen Kommunikation hat es Frau Reiber ja nicht so. E-Mail ist tabu.
Von Welser: Das ärgert mich manchmal, wenn ich ihr gern schnell was schreiben oder schicken würde. Carolin behauptet immer, ich könnte ihr Fotos per SMS schicken, die kommen aber nicht an. Reiber: Ich habe E-Mail, benutze es aber nicht. Dass ich mich hinsetze und diese ganzen E-Mails lese – das mach ich nicht. Der persönliche Austausch bleibt doch auf der Strecke, Mails sind Mitteilungen, aber kein Gespräch.
Von Welser: E-Mail ist eine zusätzliche Kommunikationsebene.
Welche Rolle spielt die Emanzipation in Ihrer beiden Leben?
Reiber: Wenn man sich überlegt, Frauen umarmen sich, Männer klopfen sich auf die Schulter. Das Gleichberechtigungsgesetz wurde erst 1957 verabschiedet, das ist noch gar nicht lange her. Die Emanzipation hat sich enorm entwickelt, und wenn ich mir die Nachrichten anschaue, in welchen Positionen Frauen heute sind – das finde ich großartig.
Von Welser: Das Kabinett ist zur Hälfte mit Frauen besetzt, der Bundestag inzwischen mit wenigstens 33 Prozent, obwohl 52 Prozent der Bevölkerung Frauen sind.
Interview: Ulrike Schmidt