Seit Jahren tobt der Streit zwischen Bayern und Österreich um den Alpentransit. Das Land Tirol wehrt sich mit sektoralen Fahrverboten und an vielen Samstagen mit Blockabfertigungen gegen die endlosen Lkw-Massen, die sich durchs Inntal wälzen. Sinnvoll? Schikane? Heute treffen sich Grünen-Spitzenpolitiker aus Bayern und Tirol an der Grenze, am Donnerstag fährt Markus Söder zum Kanzler nach Wien. Wir haben mit Tirols Verkehrs-Landesrätin (Ministerin) Ingrid Felipe (43, Grüne) gesprochen. Sie ist auch Vize-Regierungschefin im Bundesland.
Schon wieder Blockabfertigung. Verstehen Sie den Zorn der Bayern über die qualmenden Staus vor allem auf der A93?
Ja, natürlich. Stau ist hüben wie drüben sehr unangenehm, im Auto, im Lkw und für die Anwohner. Wir hatten in Tirol leider schon sehr oft den Fall, dass der Verkehr unter dem Andrang komplett zum Erliegen kommt. Genau deshalb versuchen wir ja, die Überlastung der Straßen im bayerischen Inntal, im Tiroler Inntal und im Wipptal zu verhindern. Wir haben leider keine besseren Methoden bisher als die Notwehrmaßnahmen an neuralgischen Tagen.
Sie sagen Notwehr. Bayern sagt: Schikane. Stört Sie der Begriff?
Ich finde ihn unpassend. Wir filtern wirklich sehr akribisch heraus, an welchen Tagen die Belastung so extrem ist, und wir beenden die Blockabfertigung so früh wie möglich wieder. Zum Vergleich: Die Grenzkontrollen in die andere Richtung wegen der Migrationsfrage werden leider dauerhaft exekutiert. Auf unserer Seite erzeugt das häufig auch Stau.
Sie hätten es lieber, wenn Deutschland auf die Kontrollen verzichtet?
Ja. Wir respektieren das als nationalen Wunsch, halten es aber nicht für notwendig im Schengen-Raum.
Bayerische Politiker haben stapelweise Protestbriefe nach Brüssel geschickt, die EU möge Tirol die Maßnahmen im Inntal verbieten. Fürchten Sie da was?
Besonders erfreulich ist es nicht, wenn sich die Politik mit Klagedrohungen behelfen will, statt gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Aber ich sehe dem sehr gelassen entgegen. Ich bin jetzt im zehnten Jahr als Verkehrs-Landesrätin, jede einzelne unserer Maßnahmen ist akribisch vorbereitet. Die Euroklassen-Fahrverbote, die sektoralen Fahrverbote, die Dosierungen haben alle Bestand behalten – weil wir es nur im notwendigen Maß einsetzen.
Ministerpräsident Söder hat nun umgedacht. Er schlägt vor, die Lkw-Maut um 50 Prozent zu erhöhen, um die Brummis auf die Schweizer Schienenstrecke zu locken. Gut so?
Ja, genau dafür werben wir seit vielen Jahren. Kostenwahrheit auf der Strecke zwischen München und Verona ist die intelligente und die europäische Lösung. Lärm, Stau und Luftbelastung gehören mit in diese Rechnung. Wenn das klappt, bräuchten wir unsere Notwehrmaßnahmen nicht mehr und wohl auch weniger Fahrverbote. Ich hoffe, dass diesem Vorstoß nun Taten folgen. Das ließe sich sogar sehr schnell umsetzen. Und es bereitet die Betriebe darauf vor, dass künftig der Alpentransit auf der Schiene im Tunnel stattfinden wird.
Nahziel Maut – Fernziel Brenner-Basistunnel: Wie optimistisch sind Sie für eine Eröffnung 2032?
Das ist im Moment eine realistische Schätzung. Es gibt optimistischere – aber auch leider immer wieder unerfreuliche Verzögerungen.
Da war noch was: Beim Nordzulauf auf deutscher Seite hinken wir Jahrzehnte hinterher…
Leider. Wir hatten anfangs den Eindruck, auf bayerischer Seite fehlt die Ambition, zusätzliche Zulaufstrecken zu bauen. Das ist etwas besser geworden. Es ist wichtig, dass man da jetzt in die Gänge kommt, den Zulauf anwohnerfreundlich, mit Lärmschutz und in weiten Teilen unterirdisch plant. Wir sollten zusammenhalten und gemeinsam die Bevölkerung überzeugen, dass dieses Projekt eine Investition in die Zukunft ist. Ich hoffe schon, dass sich hochrangige CSU-Politiker nicht bei den Gegnern des Zulaufs einreihen.
Interview: Chr. Deutschländer