München – Gut 5000 Plätze sind zu vergeben bei der Wahl am 20. März im Erzbistum München und Freising. In den 750 katholischen Pfarreien sind dann Pfarrgemeinderatswahlen. Bestimmt werden die Männer und Frauen, die in den kommenden vier Jahren in allen Fragen, die die Kirche vor Ort betreffen, mitberaten und mitbestimmen können. Das Sprachrohr der Gläubigen sozusagen.
Pfarrgemeinderatswahlen zwei Monate nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens, das am 20. Januar ein regelrechtes Beben in der Kirche ausgelöst hat? Trotz des Skandals wollen sich noch viele Männer und Frauen in der katholischen Kirche einbringen. „In 95 Prozent der Gemeinden können Pfarrgemeinderäte gewählt werden“, sagt Josef Peis (48), Geschäftsführer des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum München und Freising. In 720 von 750 Pfarreien kamen genügend Kandidaten zusammen, damit eine Wahl stattfinden kann. 6500 Männer und Frauen kandidieren für die 5000 Plätze. „Gemessen an der Zahl der Kandidaten und der Pfarrgemeinderäte sind wir in Oberbayern noch eine echte Volkskirche“, ist der Diözesanrats-Geschäftsführer überzeugt. Allerdings muss er einräumen: „Es gibt viele Gemeinden, in denen für vier Plätze nur vier Kandidaten bereitstehen. Trotzdem ist es eine Wahl.“
Sogar in St. Ägidius in Grafing (Landkreis Ebersberg), wo Mitte der 80er-Jahre Pfarrer Peter H. Kinder missbraucht hatte und deswegen verurteilt worden war, gibt es genügend Kandidaten. Kirchenpfleger Peter Rothmoser (75) ist Vorsitzender des Wahlausschusses in der Gemeinde mit gut 5000 Gläubigen, davon 4000 Wahlberechtigte. „Wir brauchen acht Pfarrgemeinderäte und haben 11 Kandidaten“, berichtet er. Die Jahre mit Pfarrer H. seien in Grafing kein Thema. „Natürlich erinnert man sich daran, aber es wird nicht viel darüber gesprochen“, sagt Rothmoser. Eine Verunsicherung ist aber deutlich spürbar: „Wir merken es an den Kirchenaustrittszahlen.“
Daher gestaltete sich auch die Suche nach Kandidaten für die Pfarrgemeinderatswahl etwas schwierig. Umso erleichterter ist der Kirchenpfleger, dass jetzt genügend Gläubige zur Wahl stehen. „Es muss ja irgendwie weitergehen“, meint Rothmoser. „Wir sind doch die Kirche vor Ort.“ Damit es in Zukunft noch besser läuft, wird in St. Ägidius eine Umfrage unter den Gläubigen durchgeführt – sie sollen erklären, was sie sich von ihrer Kirchengemeinde wünschen. Die Ergebnisse werden in ein neues Pastoralkonzept eingearbeitet. Andreas Heidenreich vom noch amtierenden Pfarrgemeinderat glaubt ohnehin, dass die meisten Gläubigen klar zwischen der Institution Kirche und der lokalen Grafinger Kirchgemeinde trennen können.
Im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren ist die Zahl der Gemeinden, die mangels Kandidaten nicht wählen können, nur unwesentlich gestiegen: von 2,5 auf 5 Prozent. Angesichts des Bebens, das seit einem Jahrzehnt herrscht und sich jüngst nach dem zweiten Münchner Missbrauchs-Gutachten erheblich verstärkt hat, ein kleines Wunder. „Die Zahl ist nicht in dem Maße gestiegen, wie man es hätte befürchten können“, sagt auch Josef Peis. „Deutschlandweit gesehen sind wir in unserem Erzbistum gesegnet mit Ehrenamtlichen.“ Und zwar mit selbstbewussten Frauen und Männern, die vom Diözesanrat darin bestärkt werden, dass sie nicht Erfüllungsgehilfen der pastoralen Mitarbeiter sind.
In den 30 Pfarrgemeinden, in denen keine Wahl zustande kommt, „liegt es keinesfalls am Missbrauchsskandal“, sagt Josef Peis. Meist stimme die Chemie zwischen den Gläubigen und dem Pfarrer nicht. „Es gibt Pfarrgemeinden, in denen die hauptberuflichen Seelsorger die Motivation der Ehrenamtlichen nicht schätzen“, formuliert Peis vorsichtig, um sofort hinterherzuschicken: „Der Großteil der Hauptberuflichen macht einen guten Job.“
Dort, wo es Probleme gebe, sei die Situation zwischen den beteiligten Akteuren meist schon länger schwierig. Und manchmal sind es auch die Ehrenamtlichen, die dazu beitragen.