Nürnberg – Vor zwei Monaten hat sich der Jesuitenpater Jörg Alt selbst angezeigt, weil er Lebensmittel aus Containern gerettet hat (wir haben berichtet). Dieser Akt zivilen Ungehorsams ist nur ein kleiner Teil seines Engagements für den Klimaschutz, bei dem er auch einige Aktionen der „Letzten Generation“ begleitet, die zuletzt mit Autobahnblockaden und dem Versuch, den Flugverkehr mit Luftballons zu stören, für Aufsehen gesorgt haben.
Pater Alt, was ist seit Ihrer Selbstanzeige passiert?
Am Anfang konnte es nicht schnell genug gehen: Die Vorladung wurde mir schon am nächsten Tag von der Polizei vorbeigebracht. Aber seit ich eine Rechtsvertretung habe, tut sich gar nichts mehr. Laut Staatsanwaltschaft wird noch ermittelt.
Hat sich gar nichts getan?
Man sieht natürlich nicht, was hinter den Kulissen passiert. Ich fand es spannend, dass sich die Ampel-Parteien öffentlich über ein Essen-retten-Gesetz gezankt haben. Es wird um dieses Thema gerungen, da bin ich mir sicher. Die Frage ist allerdings: Bis wann kommt das Gesetz, und wie gut wird es sein?
Wovon hängt das ab?
Meine These ist, dass mit SPD und Grünen ein gutes Gesetz möglich wäre, die FDP aber den Teufel tun wird, das zuzulassen. Wäre es politisch gewollt, gäbe es das längst. Es ist aber nicht gewollt. Und das liegt auch daran, dass die FDP sich dagegen wehrt, dass der heilige Schutz des Privateigentums aufgeweicht wird.
Sie haben nach der Aktion alle Parteien angeschrieben. Was für Reaktionen kamen zurück?
Cem Özdemir hat sich geäußert, Renate Künast hat mich zweimal im Bundestag verteidigt, die Freien Wähler in Bayern haben mich in Schutz genommen, da tut sich schon was. Ich habe eine Einladung von der Grünen-Landeschefin Eva Lettenbauer, und auch die Stadtratsfraktionen der Grünen und der CSU in Nürnberg haben mich eingeladen. Es ist gut, im Gespräch zu sein. Ich will allerdings mehr als Gespräche.
Die Aktion hat viel Aufmerksamkeit gebracht. Hatten Sie mit der Resonanz gerechnet?
Ich hätte nicht gedacht, dass es so viel positive Reaktionen geben wird. Oder dass deutlich wird, dass eine derart breite Mehrheit der Bevölkerung hinter einem Essen-retten-Gesetz und der Forderung danach steht. Ich hätte an Vorwürfe gedacht, dass Gesetze auch für Priester gelten müssen. Oder dass auch ein Priester durch so eine Provokation die Politik nicht erpressen darf. Das ist überhaupt nicht der Fall. Die Bevölkerung sieht, dass solche Maßnahmen gerechtfertigt sind, um die Politik zum Handeln zu bewegen. Das ist ganz anders als bei den Autobahnblockaden, die ja dasselbe Ziel verfolgen.
Unterstützen Sie die Aktionen der jungen Klimaaktivisten?
Klassische Aktivistenformate wie Demonstrationen oder Petitionen haben die Politik nicht zum Handeln gebracht. Ziviler Ungehorsam wie mein Gesetzesbruch schreckt auf, Ziviler Widerstand wie Blockaden macht der Politik klar, dass sie handeln muss. Wir haben noch zehn Jahre Zeit, nützen wir diese Zeit nicht, sind wir unumkehrbar auf einem Kurs in eine drei Grad heißere Welt, die wir uns lieber nicht vorstellen wollen. Ich verstehe die, die blockieren, und möchte, dass man das berechtigte Anliegen dahinter beachtet und die Vorwürfe dort ablädt, wo sie hingehören: bei der Politik, die nicht handelt.
Wie geht es für Sie weiter?
Aktuell schreibe ich ein Buch über die Legitimation von zivilem Widerstand, außerdem war ich die letzten Tage damit beschäftigt, für die Aktivisten, die den Frankenschnellweg blockiert haben, Anwälte zu organisieren. Lebensmittel retten ist eins von vielen Themen, die mich beschäftigen. Ich habe meine Anwältin aber gebeten, in der Sache Dampf zu machen. Entweder sollen sie mich anklagen oder freisprechen. Ich gehe auch ins Gefängnis, ich werde kein Ordensgeld nehmen, um irgendwelche Vergleiche zu bezahlen. Ich gebe erst Ruhe, wenn das Gesetz da ist.
Interview: Kathrin Brack