Flüchtlinge: „Es ist eine dynamische Lage“

von Redaktion

VON TINA SCHNEIDER-RADING UND PETER SCHIEBEL

München – „Es ist eine dynamische Lage“, sagt eine Sprecherin des Innenministeriums am Sonntagnachmittag. Die Situation verändere sich stündlich. „Keine Zahl ist am nächsten Tag noch aktuell.“ Seit dem 1. März haben nach Schätzungen des Innenministeriums weit mehr als 5000 Geflüchtete aus der Ukraine den Freistaat erreicht. Innenminister Joachim Herrmann rechnet mit mehr als 50 000 Kriegsflüchtlingen in Bayern. Die Ukrainer sind nicht verpflichtet, sich bei offiziellen Stellen zu melden, sie dürfen sich ohne Visum 90 Tage lang frei in der EU bewegen, sofern sie einen biometrischen Reisepass mit sich führen.

Wer den Pass nicht hat, der wird extra registriert. So erging das zum Beispiel am Samstag 130 Flüchtlingen ohne Ausweis bei einer Kontrolle am Bahnhof Rosenheim. Sie waren in Budapest in einen Railjet gestiegen, den sie aber in Rosenheim nach einer Kontrolle der Bundespolizei verlassen mussten. Nach der Registrierung wurden sie an die Münchner Aufnahmestelle weitergeleitet. Grundsätzlich gilt, dass sich Geflüchtete innerhalb der ersten Wochen in der Ausländerbehörde der jeweiligen Gemeinde melden sollten. Die meisten Ukrainer erreichen Bayern mit dem Zug über Ungarn und Rumänien oder sind mit dem Auto unterwegs. „Viele werden von Freunden und Verwandten in Empfang genommen und kommen dann privat unter“, so die Sprecherin. Nürnberg und München sind besonders begehrte Anlaufstellen, weil dort bereits große ukrainische Gemeinschaften bestehen. Hier organisieren Landsleute Zimmer in Privatunterkünften.

Menschen, die nicht vermittelt werden können, bietet der Freistaat eine Alternative an, in Hotels oder in der nächstgelegenen Asylunterkunft. Die Regierung von Oberbayern hat rund um den Hauptbahnhof München mehrere Notunterkünfte organisiert. Auch einige Hotels hätten kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Außerdem richtete die Stadt im Luisengymnasium eine Kurzunterkunft ein (siehe München-Teil).

Im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, einer Aufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern, werden bis zu 1200 Ukraine-Geflüchtete untergebracht: „Wir sind aber auch nur eine Drehscheibe“, sagt Caritas-Integrationsreferent Wilhelm Dräxler. Die Asylbewerber aus Eritrea oder Syrien, die bislang dort versorgt wurden, müssen jetzt auf Gemeinschaftsunterkünfte in ganz Oberbayern verteilt werden. So zum Beispiel in den Landkreis Starnberg. Landrat Stefan Frey erreichte am Sonntag ein Anruf der Regierungsvizepräsidentin von Oberbayern, Sabine Kahle-Sander, die ihn um Aufnahme „möglichst vieler“ Kriegsflüchtlinge bat. Noch am Sonntag konnte der Landkreis Busse schicken, die etwa 200 Flüchtlinge in Fürstenfeldbruck abholten. Sie wurden in der Jugendherberge Possenhofen und im Mehrgenerationenhaus Gauting untergebracht. Auch in Dachau kamen gestern knapp 100 Menschen an – allerdings direkt von der ukrainischen Grenze geholt von einer privaten Initiative.

„Wir profitieren von unseren Erfahrungen mit der Flüchtlingswelle 2015“, so die Sprecherin des Innenministeriums. „Diese Strukturen werden jetzt wieder hochgefahren.“ Zudem sei die Lage einfacher, weil es eine klare Rechtsgrundlage gebe: Ukrainische Geflüchtete können für zunächst ein Jahr in der gesamten EU aufgenommen werden und sich ohne Residenzpflicht frei bewegen. „Sie können sofort Sprachkurse besuchen, erhalten eine Arbeitserlaubnis und sollen auch Integrationskurse wahrnehmen können.“

Die Hilfsbereitschaft in Bayern ist derweil ungebrochen. Weil so viele Sachspenden angeliefert wurden, kam es bei einer Sammelaktion der Flüchtlingshilfe Erding am Wochenende zeitweilig zum Stau auf den Hauptstraßen. Der Flughafenverein bittet darum, keine Kleiderspenden mehr abzugeben. Sonst müsse die Entsorgung aus Spendengeldern gezahlt werden. Beim Roten Kreuz gilt das Gleiche – potenzielle Spender sollten vorher fragen, was überhaupt benötigt werde.  mit no/beet

Artikel 6 von 10