Inflation auf dem Acker

von Redaktion

VON DOMINIK GÖTTLER

München – Vor vier Wochen hat Franz Langgartner sein Düngemittellager aufgefüllt. Langgartner arbeitet in der Marktberichtsstelle des Bayerischen Bauernverbands und führt in Niederbayern einen landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb. Gut 60 Euro hat er pro 100 Kilo Kalkammonsalpeter bezahlt, einem der wichtigsten Stickstoffdünger für die Landwirtschaft. „Das ist dreimal so viel wie noch in den Jahren zuvor.“ Mittlerweile gibt es die Preise bei den Landhändlern teilweise nur noch auf Anfrage. „Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat den Markt auf den Kopf gestellt“, sagt Langgartner.

Für die Produktion von Stickstoffdünger wird viel Energie benötigt, üblicherweise Erdgas. Und da sind die Preise derzeit bekanntlich exorbitant hoch. Schon vor dem Einmarsch in die Ukraine hatte Russland ein Exportverbot für Düngemittel verhängt. Es gilt zunächst bis zum 1. April. Verlängerung offen. Für die jetzt startende Düngesaison sind die bayerischen Bauern zwar weitgehend eingedeckt, sagt Langgartner. Aber eben zu hohen Preisen. Und wie es auf dem Markt weitergeht, da herrsche im Landhandel große Unsicherheit.

Doch der Ukraine-Krieg schlägt sich nicht nur auf dem Düngemittelmarkt nieder. Auch der Weizenpreis klettert immer weiter nach oben. Denn Russland und die Ukraine sind weltweit für knapp 30 Prozent aller Weizenexporte verantwortlich. „Für die Versorgung in Bayern hat das direkt erst mal keine Auswirkung“, sagt Franz Langgartner. Denn auch Deutschland produziert mehr, als im Inland verbraucht wird. Ausgehen wird der Weizen also wohl nicht. Aber er wird teurer. Und Langgartner befürchtet, dass der Weizen durch die Turbulenzen auf dem Markt noch stärker zum Spekulationsobjekt wird. Die Verbraucher jedenfalls dürften den Anstieg zu spüren bekommen. „Die heimischen Müller werden gezwungen sein, die Preissteigerungen weiterzureichen“, sagt Josef Rampl, Geschäftsführer des bayerischen Müllerbundes.

Aber könnte nicht auch in Bayern einfach mehr Weizen angebaut werden, um die gestiegene Nachfrage zu bedienen? So leicht ist das nicht, betont Langgartner. „Natürlich reagieren die Landwirte auf den Markt.“ Aber der Winterweizen ist längst gesät. Und auch sonst müssen die Landwirte ihre Fruchtfolgen einhalten, um die Bodenqualität zu erhalten und den Pflanzen genug Nährstoffe zu bieten. Zudem ist der Weizen schon jetzt eine der meistangebauten Kulturen in Bayern.

Der Krieg hat die Debatte um die Versorgungssicherheit in Deutschland wieder in Fahrt gebracht. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat für Freitag die Agrarminister der G7-Staaten zu einem Sondertreffen geladen, um über eine Stabilisierung der Agrarmärkte zu beraten. Schon jetzt werden aus dem grünen Lager Forderungen laut, weniger landwirtschaftliche Produkte als Tierfutter zu verwenden. Aus der Geflügelwirtschaft hingegen kommt der Appell, kein Getreide mehr für die Produktion von Bio-Kraftstoffen zu nutzen, um die Futterversorgung der Nutztiere nicht zu gefährden. Die Bauern wiederum verlangen von der EU-Kommission Nachjustierungen beim Umbau zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft. Bayerns Bauernpräsident Walter Heidl fordert etwa, dass auf zusätzliche Zwangsstilllegungen verzichtet wird, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Agrarminister Özdemir hält davon hingegen wenig. „Wir sollten die Uhr nicht zurückdrehen, das hat noch nie geklappt“, sagte er dem Fachmagazin „Topagrar“. Stattdessen müsse das Ziel sein, dass mehr Getreide in die direkte Nahrungsmittelversorgung fließe und nicht vorrangig in den Futtertrog. Mit Kreislauf-Landwirtschaft sollen die Bauern zudem unabhängiger von energieintensivem Mineraldünger werden. Doch auch die Bio-Bauern, die auf solchen Mineraldünger verzichten, spüren die Krise, sagt Franz Langgartner. „Die müssen beim Pflanzenschutz auf Bodenbearbeitung setzen.“ Dafür braucht es Diesel – und da sieht es bei den Preisen nicht besser aus.

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