München/Miesbach – Im Miesbacher Rathaus haben sie vor Kurzem die Reißleine gezogen. Eigentlich sollte die Schopfgrabenbrücke heuer neu gebaut werden. Das Bauwerk aus dem Jahr 1965 ist marode geworden. „De Bruckn is hi“, teilte Miesbachs Tiefbautechniker im Herbst 2020 dem Stadtrat mit. Doch aus dem Neubau wird erst mal nichts. Denn bei der Ausschreibung ging im Miesbacher Rathaus genau ein Angebot ein – und das lag deutlich über den im Haushalt eingestellten 1,2 Millionen Euro. Zu teuer für die Stadt. Jetzt wird neu ausgeschrieben – und die Baumaßnahme ins nächste Jahr geschoben.
Fälle wie diese gibt es derzeit zuhauf in Bayern. „Egal ob bei Ausschreibungen zum Hochbau, Tiefbau oder zu Dienstleistungen – die Kommunen bekommen derzeit kaum oder gar keine Angebote“, sagt Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag. „Wir haben einen großen Investitionsstau vom Abwasserkanal über die Straßenbrücke bis zur Grundschule. Und der wird auch nicht so schnell abklingen.“
Gerhard de Biasio, Kämmerer des Landkreises Miesbach, beobachtet die Entwicklung mit Sorge: „Bei manchen Gewerken werden utopische Preise aufgerufen. Wir haben in den vergangenen Jahren extrem viele Ausschreibungen aufgehoben und einen neuen Anlauf unternommen.“
Ursachen dafür gibt es mehrere. „Ein Hauptgrund ist die gute Baukonjunktur“, sagt Schober. „Die Firmen können sich aussuchen, welche Projekte sie lieber angehen. Und im Zweifel ist das eher ein Neubaugebiet oder eine große Eisenbahnbrücke als eine kleine kommunale Baumaßnahme.“ Hinzu kommt der Fachkräftemangel in der Branche. Und die steigende Nachfrage aus den Kommunen. „Während der Pandemie lief vieles auf Sparflamme. Jetzt kommt alles auf einmal. Schober betont: „Es scheitert nicht am Geld. Aber die Auftragsbücher der Firmen sind bis oben hin voll aus der Privatwirtschaft.“
Josef Wallner vom bayerischen Bauindustrieverband bestätigt, dass private Bauherren für die Unternehmen oft attraktiver sind als die öffentliche Hand. „Bei öffentlichen Aufträgen dauert es oft viele Jahre, bis endlich Baurecht besteht.“ Durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine sei es außerdem schwieriger geworden, an Baumaterial zu kommen. „Das macht es unmöglich, seriös zu kalkulieren.“ Bei privaten Bauherren hingegen ist der Preis oft nicht der wichtigste Faktor, sagt Wallner. Kommunen sind aber gemäß Gemeindeverordnung verpflichtet, das wirtschaftlichste Angebot zu wählen. „Man will ja nicht als Steuerverschwender im Schwarzbuch landen“, sagt Schober.
Auch der Bund spürt den Sanierungsstau, besonders auf den Autobahnen. Vergangene Woche lud Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Berlin zum „Brückengipfel“, um bei der Erneuerung der deutschlandweit 4000 sanierungsbedürftigen Autobahnbrücken endlich voranzukommen. Nun soll mehr Geld fließen, Planung und Genehmigung beschleunigt und die Ausschreibung gestrafft werden.
In Bayern werden derzeit rund 20 bis 30 Autobahnbrücken pro Jahr erneuert, sagt Josef Seebacher von der Autobahn GmbH des Bundes in Südbayern. Aktuell beispielsweise auf der Garmischer Autobahn bei Seeshaupt. Und die Arbeit geht nicht aus, weil viele Autobahnen in Bayern aus den 70er-Jahren nun ihr kritisches Alter erreichen. „Bei uns sind ausbleibende Angebote aber nicht das Hauptproblem“, sagt Seebacher. Zuletzt schlugen immer wieder österreichische Baufirmen bei bayerischen Ausschreibungen zu, weil im Nachbarland derzeit eher Tunnels als Brücken saniert werden und somit Kapazitäten frei waren. „Unser Flaschenhals sind die Planer. Da gibt es zu wenige“, sagt Seebacher. Für Verzögerungen sorge zudem der immense Verwaltungsaufwand bei der Planung, vom Naturschutzgutachten bis zur Verkehrsführung. Bei größeren Brücken dauere es schon mal bis zu 15 Jahre von der Ausschreibung bis zum Baubeginn.
So lange soll es bei der Schopfgrabenbrücke in Miesbach natürlich nicht dauern. Trotzdem müssen sie dort jetzt kreativ werden. Die marode Brücke soll nun notdürftig mit Spezialzement ausgebessert werden, um noch ein Jahr durchzuhalten. In der Hoffnung, dass bis dahin ein akzeptables Angebot vorliegt.