Glück ist ein Verkaufsschlager

von Redaktion

Dachau – „Mit dem Wörtchen Glück verkauft sich alles besser“, sagt Annegret Braun. Bis heute haben Glücksbringer wie Kleeblatt, Hufeisen, Marienkäfer & Co. Hochkonjunktur. Früher gab es sie auch schon – unser Begriff von Glück hat sich im Laufe der Zeit aber entschieden verändert, erklärt die Kulturwissenschaftlerin, die Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrt und Projektleiterin der Geschichtswerkstatt in Dachau ist.

Der Glücksklee ist für Braun das Paradebeispiel. „Dass wir vierblättrige Kleeblätter im Supermarkt im Topf kaufen können, sagt viel über unser heutiges Glücksverständnis aus“, erklärt die 59-Jährige. „Eigentlich ist es doch eine Ausnahmeerscheinung. Wer es in der Natur findet, hat Glück – daher auch der Ruf als Glücksbringer.“ Heute wird Glücksklee aber in Massen gezüchtet und verschenkt. Der Schornsteinfeger, ein anderer Klassiker unter den Glücksbringern, steckt gleich mit im Topf. Ist Glück also käuflich? „Eher nicht“, sagt Braun und lacht. „In unserer konsumorientierten Gesellschaft muss es aber ständig verfügbar sein.“

Glücksgewürz, Glückstee, Glücksbad oder eben der x-te Ratgeber zum Glücklichsein – der Glücksklee ist kein Einzelfall, wenn Braun sich beim Einkaufen die Regale genauer anschaut. Auch, dass am heutigen Sonntag der Weltglückstag gefeiert wird, sei kein Zufall. „Wir streben nach Dauerglück – und zwar in jedem Lebensbereich.“

Ein gefährlicher Trend, wie Braun findet. Immerhin dürfe man kaum mehr unglücklich sein. Die neue Liebe, die Beförderung im Job und der Karibikurlaub werden zelebriert und in den Sozialen Netzwerken zur Schau gestellt. „Glück wird rund um die Uhr gepostet“, sagt Braun. „Stress oder Streit hingegen nicht.“ Das macht Druck, schließlich gehören zu jedermanns Alltag auch Probleme. „Glück bedeutet heute unglücklicherweise auch erfolgreich zu sein, nicht zu scheitern und keine Schwächen zu haben.“ Wir sind permanent auf der Jagd und versuchen das, was uns nicht glücklich macht, auszumerzen. So war das aber nicht immer.

„Dauerglück gibt es nicht“, sagt Braun. Den Menschen früher wäre das bewusster gewesen. „Das Leben bis in die 1950er-Jahre war schwerer. Armut, Hunger, Krankheit und Tod waren allgegenwärtiger.“ Glücksbringer gab es daher schon immer. In elementaren Lebenslagen sollten sie das beeinflussen, was nicht beeinflussbar war, etwa das Wetter und die Ernte.

„Viele Glücksbringer sind christlich geprägt: Im vierblättrigen Kleeblatt steckt das Kreuzsymbol und der Marienkäfer wurde als Himmelsbote auf die Erde geschickt“, erklärt Braun. „Und weil Aberglaube nur eine Variante des Glaubens ist, galten sie auch als Schutz vor dem Teufel.“ Das Hufeisen ist ein Beispiel dafür. „Früher wurde es mit der Öffnung nach unten aufgehängt, um das Böse aus der Hölle abzuhalten“, sagt Braun. Wie sich das Glücksverständnis gewandelt hat, zeigt es auch. „Heute wird es mit der Öffnung nach oben aufgehängt, sodass das Glück nicht hinausfällt und bleibt – Dauerglück eben.“

Glück war früher auch anders definiert. „Ein Dach über dem Kopf zu haben, eine Familie zu gründen und sie versorgen zu können, galt als großes Glück“, sagt Braun. „Das ist natürlich auch heute noch so und nach mehr zu streben, ist nicht verwerflich. Wir sollten uns aber bewusst machen, dass wir Glück vor allem im Kontrast erleben.“

Nach Regen folgt Sonnenschein und nach einem ausgewachsenen Schnupfen lässt es sich wieder frei durchatmen. „Auch das können Glücksmomente sein“, sagt Braun. „Glücklich ist der, der das Leben in seiner Ganzheit – samt Problemen – sieht und das Glück als flüchtig anerkennt.“ CORNELIA SCHRAMM

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