Der Streit ums Miesbacher Wasser

von Redaktion

VON DOMINIK GÖTTLER

Miesbach – Wer Alois Fuchs auf seinem Hof im Miesbacher Ortsteil Haselsteig besucht, weiß sofort, wo den Bio-Bauer der Schuh drückt. Ein Plakat mit der Aufschrift „Für faires Wasser – Stoppt Behördenwillkür“ hängt an seinem Gartenzaun vor der Haustür. Jeden Sommer treibt der 49-Jährige seine Jungrinder auf die Weide. Damit könnte bald Schluss sein. Denn wenn die Regeln im Wasserschutzgebiet, in dem Fuchs’ Weiden liegen, so festgezurrt werden, wie es die Regierung von Oberbayern auf Weisung des Umweltministeriums angeordnet hat, dann dürfte er seine Kühe dort nicht mehr austreiben. Weil dadurch Keime ins Trinkwasser gelangen könnten, so die Begründung der Behörden.

Der Streit ums Miesbacher Wasser schwelt seit Jahrzehnten. Seit 1883 gewinnen die Münchner Stadtwerke im Mangfalltal Trinkwasser für die Landeshauptstadt – rund 80 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Das sind etwa 80 Prozent des Bedarfs für München und der mitversorgten Gemeinden, heißt es bei den Stadtwerken. Um das Wasser vor Ort zu schützen, fördern die Stadtwerke den Öko-Landbau in der Region. Mehr als 1,6 Millionen Euro fließen dort pro Jahr an rund 180 Landwirte. Doch die aktuelle Verordnung für das Wasserschutzgebiet Thalham-Reisach-Gotzing stammt aus dem Jahr 1964, wie das Landesamt für Umwelt erklärt. Die Regeln müssten den heutigen Anforderungen angepasst werden. Eine größere Schutzzone sei nötig. Und in der engeren Schutzzone, in der im Sommer etwa Alois Fuchs’ Kühe weiden, droht ein Weide- und Düngeverbot.

Alois Fuchs sitzt am Küchentisch, daneben Marion von Kameke vom wenige Kilometer entfernten Bio-Gut Wallenburg, die ebenfalls von den neuen Vorgaben betroffen wäre. „Ich würde ein Viertel meiner Grünlandflächen verlieren“, sagt Fuchs. „Dafür wurden mir Ausgleichsflächen angeboten, aber die sind zu weit weg. Ich bräuchte neue Maschinen, es wäre logistisch ein riesiger Aufwand.“ Marion von Kameke sagt: „Auch für unser Gut stellt sich die Frage, ob der Betriebszweig der Landwirtschaft dann noch Sinn macht.“ Beide betonen, sauberes Wasser stehe an erster Stelle. „Aber wir müssen die Frage stellen: Welche Maßnahmen sind angemessen?“

Die Regierung von Oberbayern hat da eine klare Linie. Im Oktober forderte sie das Miesbacher Landratsamt auf, per Allgemeinverfügung ein Dünge- und Beweidungsverbot zu erlassen. Sonst drohe der sogenannte „Selbsteintritt“, die Regierung könnte dem Landratsamt das Verfahren aus der Hand nehmen. Gegen diese Anordnung haben drei Bürgermeister, der Verein „Unser Wasser“ sowie die betroffenen Landwirte Petition beim Landtag eingereicht. Am 31. März entscheidet der Umweltausschuss.

Kürzlich haben sich die Abgeordneten vor Ort ein Bild von der Situation gemacht. Ausschussvorsitzende Rosi Steinberger (Grüne) ist sich der verfahrenen Situation bewusst. „Mein Eindruck ist: Das Landratsamt hat das Verfahren lange liegen lassen.“ Grundsätzlich habe Bayern ein Problem mit seinen Wasserschutzgebieten. „Fast 400 Verfahren in ganz Bayern sind nicht abgeschlossen.“ Aber im Miesbacher Fall, wo das Wasser nicht aus einem tiefen Brunnen, sondern aus einem großflächigen Drainagebrunnen gewonnen wird, sei die Lage kompliziert.

Denn strittig ist, woher die Keime im Wasser kamen, die 2020 zweimal nachgewiesen wurden. Waren es die Hinterlassenschaften der Kühe? Oder der Hunde, die regelmäßig durch das Naherholungsgebiet streifen? Oder könnte die Ursache auch die benachbarte Kläranlage von Miesbach sein, die bei Starkregen legal Wasser in die Schlierach ableiten darf, wie ein Gutachter im Auftrag des Landratsamts festgestellt hat? Jeder Keim ist einer zu viel, hieß es dazu vor Ort immer wieder von Vertretern des Umweltministeriums. Die Bauern hingegen bangen um ihre Existenz durch Verbote, die aus ihrer Sicht am Grundproblem möglicherweise gar nichts ändern. Im Landtag wird nun darüber entschieden, ob die Regierung das Verfahren an sich ziehen soll. Da ist Rosi Steinberger skeptisch. „Ich habe den Eindruck, dass der jetzige Landrat das Thema wirklich angehen will. Ich sehe hier keinen Grund für ein Eingreifen.“

Das Miesbacher Landratsamt spricht sich weiterhin für ein „faires, transparentes und rechtsstaatliches Verfahren“ aus. Es gehe nicht darum, irgendjemandem das Wasser abzudrehen. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), in deren Wahlkreis das Wasserschutzgebiet liegt, hatte jüngst einen Runden Tisch angeregt. „Diese Idee unterstützen wir gerne“, heißt es aus dem Landratsamt. Die Stadtwerke teilen mit, man nehme „umfangreich am Dialog zur Versachlichung teil“. Bio-Bäuerin Marion von Kameke jedenfalls wünscht sich ein Verfahren, „bei dem es um die Qualität des Wassers geht –und nicht nur ums Prinzip“.

Ilse Aigner will einen Runden Tisch

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