Garmisch-Partenkirchen – Sich in alpinem Gelände zu bewegen ist eine anspruchsvolle Angelegenheit: zu Lande, zu Wasser und ganz besonders in der Luft. Hubschrauber-Piloten der Bundeswehr benötigen außerordentlich viel Routine, um sich zwischen schroffen Bergen, tiefen Tälern und den besonderen atmosphärischen Bedingungen zurechtzufinden und um ihre Aufgaben in dem Maß zu erfüllen, wie es gefordert wird. Da macht nur Übung den Meister. Um die Fähigkeiten der Männer an den Steuerknüppeln auf das höchste Level zu heben, lässt das Transporthubschrauberregiment 30 aus dem baden-württembergischen Niederstetten, das direkt an den bayerischen Bezirk Unterfranken grenzt, von heute bis zum 8. April die Besatzungen den speziellen Gebirgsflug trainieren.
Die Flüge mit zwei NH90 Transporthubschraubern finden nach Auskunft von Presseoffizier Frederik Ströhlein im westlichen Alpenraum in den Gebieten Oberallgäu, Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen statt. Geflogen wird vorwiegend tagsüber, teilweise aber auch in der Dunkelheit. Die Transporthubschrauber operieren dabei vom Luftwaffenflugplatz Lechfeld im Landkreis Augsburg aus. „Flüge im Gebirge und Landungen auf Gebirgslandeplätzen stellen hohe Anforderungen an unsere Besatzungen und müssen regelmäßig geübt werden“, sagt Oberst Peter Göhringer. Kommandeur des Transporthubschrauberregiments 30. „Besonders trainingsintensiv sind Landungen auf schwierig anzufliegenden Gebirgslandeplätzen – und dies unter wechselnden Windverhältnissen. Zu beachten ist im Gebirge immer, dass der Wind nicht nur horizontal weht, sondern mit Steig- und Fallwinden auch vertikale Komponenten hat.“ Sich im dreidimensionalen Raum zu bewegen, Hindernissen auszuweichen, sei um einiges diffiziler als der Flug auf Luftstraßen, ergänzt Ströhlein.
Durch den Ukraine-Krieg haben die Trainingsflüge des Transporthubschrauberregiments 30 eine größere Bedeutung und eine besondere Wichtigkeit bekommen. Man will sich in Friedenszeiten präparieren, um für alle Eventualitäten, die ein möglicher Ernstfall mit sich bringt, gerüstet zu sein. Die Einheit aus Niederstetten ist Teil der Nato Respons Force (NRF) und gehört damit zu den schnellen Eingreiftruppen. Dazu zählen Einsätze im Rahmen der kollektiven Verteidigung, zur Unterstützung Verbündeter und von Friedensmissionen im gesamten Aufgabenspektrum der Krisenverhütung und Krisenbewältigung von Nato, EU und Vereinte Nationen. „Natürlich spielt die Invasion der Ukraine bei uns derzeit eine Rolle“, sagt Ströhlein.
Mit Einsätzen in Kriegsgebieten haben die Soldaten einschlägige Erfahrung gesammelt. Die Heeresflieger aus Niederstetten waren bis 2021 in Afghanistan aktiv. Dort zahlten sich die Übungseinheiten in den Alpen ganz besonders aus. Im Hindukusch- und Marmalgebirge gibt es deutlich höhere Berge als im deutschen Alpenraum. Aktuell sind sie bis Sommer 2022 noch in Mali als militärische Rettungshubschrauber im Dienst. „Wir sind aber auch bei zivilen Einsätzen gefordert“, sagt Ströhlein. Beim Ahrtal-Hochwasser im vergangenen Jahr flogen die Helikopterbesatzungen viele Versorgungseinsätze in die vom Hochwasser eingeschlossenen Gebiete. Ströhlein: „Dabei haben wir auch Dutzende Menschen ausgeflogen.“
Der NH 90, den die Bundeswehr 2006 in Dienst stellte, kann bis zu zwölf Gebirgsjäger transportieren oder Lasten bis zu zwei Tonnen im Gebirge absetzen. Der Hubschrauber, als Lastenesel und Truppentransporter Nachfolger des betagten Bell UH-1D, den die Amerikaner schon im Vietnamkrieg einsetzten, zählt zum neueren Gerät, über das die Bundeswehr verfügt. Er fliegt auch und steht nicht nur am Boden, weil wichtige Ersatzteile fehlen. „Von unseren 32 NH90 sind 30 einsatzbereit“, erklärt Ströhlein. PETER REINBOLD