Schnappschüsse für Raser

von Redaktion

München/Oberpframmern – Die Frau ist sauer. Nach dem Abbiegen gibt sie für die paar Meter zum Polizeiauto so rabiat Gas, dass die Reifen pfeifen. Als sie aussteigt, kracht die Tür ihres terrakottaroten Fords ins Schloss, dass es scheppert. „So eine Scheiße!“, flucht die Mittvierzigerin, dass ihrer Mutter auf dem Beifahrersitz sichtlich bange wird. Die Autofahrerin ist den Polizisten der Polizeiinspektion Ebersberg auf einer Landstraße von Oberpframmern nach Zorneding ins Netz gegangen. Dort, an einem Gewerbegebiet, haben sich die Beamten gestern für den bayernweiten Blitzmarathon postiert. Dabei hatte die Fordfahrerin noch Glück: Gestoppt haben sie die Beamten, weil sie verbotenerweise überholt hatte. Weil der Laser das dadurch verdeckte Kennzeichen nicht anpeilen konnte, bleibt ihr ein zusätzliches Bußgeld wegen zu schnellen Fahrens erspart.

24 Stunden lang hat die Polizei gestern an 2200 möglichen Messstellen im Freistaat geblitzt. Wo in Bayern kontrolliert wurde, war im Voraus auf der Ministeriumsseite einzusehen. „Schwerpunktmäßig wird dort kontrolliert, wo die Unfallgefahren durch zu schnelles Fahren am größten sind oder häufig zu schnell gefahren wird“, sagte Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) an einer Kontrollstelle. „Innerorts sind das beispielsweise Straßen vor Schulen und Kindergärten“. Außerorts seien für die Beamten die Landstraßen der Schwerpunkt. Die geblitzten Autofahrer sollten nach Angaben von Kirchner angehalten und aufgeklärt werden. „Dadurch erhoffen wir uns einen nachhaltigeren Effekt.“

Ortswechsel: In Geretsried (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) ist Polizeihauptmeisterin Meike Döhla an der B11 im Einsatz. Hier gilt Tempo 70. Plötzlich der Zuruf eines Kollegen. „Der graue BMW, Tempo 87.“ Döhla macht mit der Kelle auf sich aufmerksam und leitet das Fahrzeug zur Kontrollstelle in den Waldweg. Dort erfährt der Fahrer, was ihm vorgeworfen wird. Alle Beträge bis 55 Euro können sofort in bar oder mit Karte beglichen werden. Alles darüber kommt per Bußgeldbescheid.

Vor dem Blitzmarathon machte sich bei der Polizei jedoch nach Angaben der Gewerkschaft ein großer Personalmangel bemerkbar. Etwa wegen Corona-Ausfällen oder Aufgaben wie der Registrierung von Flüchtlingen. Geblitzt wurde dennoch – teilweise mit zusätzlichen Überstunden. Das Innenministerium hatte einen Personalmangel bestritten. Die Polizei sei zwar hochbelastet, aber dennoch voll einsatzfähig.

Knapp ein Viertel der Verkehrstoten in Bayern gehe auf Raser zurück. Im vergangenen Jahr starben nach Angaben des Ministeriums 109 Menschen bei Geschwindigkeitsunfällen – das waren 38 weniger als ein Jahr zuvor.

In Oberpframmern hat sich die zornige Überholsünderin in ihr Schicksal gefügt. Zu ihrem bisherigen einen Punkt in Flensburg kommt wohl ein weiterer dazu, außerdem kostet der Verstoß 70 Euro. Wegen ihres aufgebrachten Verhaltens bekommt sie noch ein paar mahnende Worte von Polizeihauptkommissar Stephan Mittermaier (49) mit auf den Weg. „Beim Autofahren sollte man seine Emotionen schon im Griff haben“, sagt er.

„Wir müssen zum Notar, wir haben’s eilig“, sagt indes die Fahrerin. Beim Einbiegen auf die Landstraße ächzen wieder die Reifen.  ja/sh/lby

Artikel 10 von 11