Bereits 104 Anfragen bei SOS-Pflege-Hotline

von Redaktion

München – Es ist nicht das erste Mal in Claus Fusseks Leben, dass er nach einem Pflege-Skandal zu einem Runden Tisch eingeladen ist. Gestern gab es wieder eine solche Expertenrunde. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte nach den Schließungen der Heime in Schliersee und Augsburg einen Fünf-Punkte-Plan angekündigt. Zwei Stunden lang hörte er sich Stellungnahmen und Einschätzungen an – von gesundheitspolitischen Sprechern der Parteien, Verbänden, Prüfinstanzen, Mitarbeitern des Medizinischen Dienstes, Vertretern der Regierungen. „Es geht bei diesem Thema nicht um Parteipolitik“, betonte er. „Sondern um das Wohl und den Schutz unserer Pflegebedürftigen.“

Auch der Münchner Pflege-Experte Fussek durfte seine Sicht einbringen. Er hat mehr als vier Jahrzehnte lang von Betroffenen, deren Angehörigen oder Pflegekräften die grausamsten Seiten des Heimalltags geschildert bekommen. Gestern forderte er, die Pflegeschulen stärker einzubeziehen. „Die Leitungen und Lehrkräfte kennen die Zustände in den Heimen, die Schüler berichten ihnen doch davon.“ Die Schulen sollten verpflichtet werden, bekannte Missstände den Heimaufsichten zu melden, fordert Fussek. „Dann hätten nicht mehr Einzelne den Schwarzen Peter.“ Umsetzbar wäre das sofort. „Die Pflegekräfte müssen die Heimaufsicht endlich als Berufskollegen und nicht als Feinde betrachten.“ Es dürfe nicht länger gefälschte Dokumentationen und Vertuschungen geben.

Georg Sigl-Lehner, Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern und selbst seit 20 Jahren Heimleiter, plädierte dafür, mehr nach den Ursachen für schlechte Pflege zu suchen. „Man kann nicht mehr Qualität in die Einrichtungen hineinkontrollieren, sie muss von innen heraus kommen.“ Eine bessere Personalausstattung, eine angemessene Fachkräftequote seien die nötigen Rahmenbedingungen. Auch für eine Reform der Kontrollen sprach er sich aus. Ein Prüfer, der zehn Tage lang vor Ort ist, würde mehr von einer Einrichtung mitbekommen als zehn Prüfer an einem Tag. Er ist zuversichtlich, dass Klaus Holetschek wirklich etwas ändern will, betont er. „Er ist jemand, der zuhört und dann agiert – vom ersten Runden Tisch hat er einiges mitgenommen.“

Peter Bauer (Freie Wähler), der Pflegebeauftragte der Staatsregierung, forderte in der Runde erneut schnellere und schärfere Sanktionen, wenn Missstände bekannt werden. Auch die Forderung des Sozialverbands, die Gewinnmaximierung für Träger zu begrenzen, müsse diskutiert werden. Er brachte den Vorschlag ein, Ombudsstellen einzurichten, an die sich Pflegende wenden können, um auf Missstände aufmerksam zu machen. „Die Heimaufsicht braucht diese Hinweise, sonst können die Kontrollen nur Stichproben sein“, betont Bauer. Er verspricht sich davon mehr als von der SOS-Pflege-Hotline, die Holetschek Anfang März in Bayern etabliert hatte. „Die Hotline kann nur ein Anfang sein“, sagt Bauer. „Persönliche Ansprechpartner sind genauso wichtig.“

Bei der Hotline haben sich seit 7. März 104 Pflegekräfte, Angehörige und Betroffene gemeldet – 87 telefonisch, 14 per E-Mail, drei per Post, berichtet das Gesundheitsministerium. Insgesamt seien 64 Beschwerden eingegangen, 33 davon anonym. Einige Anrufer baten auch um Beratung, zum Beispiel zur Auszahlung von Überstunden. Bei den Beschwerden ging es um die Personalbesetzung in Heimen, auch Versorgungsdefizite wurden geschildert. Laut Ministerium sei es auch um das Thema Gewalt, vor allem in verbaler Ausprägung, gegangen. Insgesamt 22 Beschwerden wurden bisher der Heimaufsicht gemeldet. Die Hotline ist unter 0 96 21/966 966 0 oder per E-Mail unter pflege-sos@lfp.bayern.de erreichbar. KATRIN WOITSCH

Artikel 2 von 11