München – Bei der Integration ukrainischer Kinder setzt Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) auf die Kindertagesstätten. „Die geflüchteten Kinder haben Furchtbares erlebt“, betont sie. „Sie brauchen einen geregelten Alltag und ein gutes Bildungs- und Sprachangebot.“ Scharf räumt ein, dass das nicht von heute auf morgen möglich sein wird. „Man muss auch so ehrlich sein, dass wir Kitaplätze nicht gerade im Überfluss verfügbar haben.“ An freien Plätzen und Personal mangele es ohnehin schon. Das betreffe besonders die großen Städte.
Lisa Pfeiffer kann das nur bestätigen. Sie ist im Vorstand des Bayerischen Kita-Fachkräfteverbands und arbeitet in einer Kindertageseinrichtung im Chiemgau. „Wir arbeiten seit vielen Monaten über der Belastungsgrenze“, betont sie. Schon jetzt gebe es auch für bayerische Kinder in vielen Regionen keinen Kita-Platz. „Es wird großen Unmut geben, wenn nun ukrainische Kinder bevorzugt werden“, glaubt Pfeiffer. Sie fürchtet auch, dass in einigen Einrichtungen die Betreuung dann komplett zusammenbrechen könnte. Viele der Flüchtlingskinder seien traumatisiert, betont sie. „Um das aufzufangen, brauchen wir professionelle Unterstützung.“ Nebenher sei das nicht machbar. „Und mit übervollen Gruppen ist niemandem gedient.“
Pfeiffer betont aber auch: „Unser Verständnis für die Situation ist sehr groß – wir möchten gerne helfen.“ Der Kita-Verband könnte sich Begegnungsstätten für die Flüchtlingskinder vorstellen, in denen auch die Eltern willkommen sind. „Zum Beispiel nach den regulären Betreuungszeiten in den Kitas“, schlägt Pfeiffer vor. Neben den Erzieherinnen müssten dann auch Dolmetscher und für Traumata ausgebildete Fachkräfte vor Ort sein. „Ein geregelter Tagesablauf ist wichtig – aus pädagogischer Sicht ist es aber sinnvoll, die gesamten Familien aufzufangen“, sagt sie. „Die Kinder in die Einrichtungen zu integrieren, ist erst der zweite Schritt.“ Insgesamt würden sich die Kita-Fachkräfte wünschen, bei solchen Debatten mehr einbezogen zu werden, sagt Pfeiffer. Bisher sei das kaum passiert.
Zu einem ähnlichen Konzept, wie es Pfeiffer vorschlägt, ist Sozialministerin Scharf dennoch gekommen. Auch sie glaubt, dass die ukrainischen Kinder nur schrittweise an die Regelbetreuung herangeführt werden können. Sie könnte sich vorstellen, die Flüchtlingskinder erst mal für ein paar Stunden in die Kitas aufzunehmen. Das hätte den Vorteil, dass sie gleichzeitig die Sprache lernen. Das Ministerium will nun auf niedrigschwellige Angebote setzen, die die Eltern einbeziehen. „Beispiele wären eine stundenweise Betreuung in einem Familienzentrum oder an Volkshochschulen. Auch eine stundenweise Betreuung nach der regulären Öffnungszeit in Kitas oder eine Nutzung von Räumlichkeiten zum Beispiel in Horten während der Unterrichtszeit sind damit gemeint.“ Möglich sind Eltern-Kind-Angebote oder die begleitende Kinderbetreuung während der Sprachkurse der Eltern, betont Scharf. „Wir sind in enger Abstimmung mit den Kita-Trägern und vor allem mit den Kommunen“, sagte Scharf.
Eine Chance könnte der Ministerin zufolge auch bei den geflüchteten Ukrainerinnen liegen. „Der Zugang zu Kitas wird am allerbesten gelingen, wenn wir geflüchtete Frauen aus der Ukraine finden, die zum einen die Qualifikation mitbringen und zum anderen auch die Sprachbarriere überwinden können.“ Scharf betont aber auch: „Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz entsteht erst spätestens nach sechs Monaten.“ Für die aktuelle Situation fordert sie Pragmatismus, unbürokratische Lösungen und ein Herz für die Not der Geflüchteten.