München/Vatikanstadt – Vor fünf Jahren, als Benedikt XVI. 90 Jahre alt wurde, da gab es noch ein buntes Treiben am Kloster Mater Ecclesia hinterm Petersdom: Bei herrlichstem Sonnenschein gratulierten Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Landtagspräsidentin Barbara Stamm dem emeritierten Papst zum runden Geburtstag. Auch die Gebirgsschützen waren extra mit 30 Kameraden nach Rom gereist, um ihrem Ehrenmitglied eine „eiserne Gesundheit“ zu wünschen, „damit er uns noch lange erhalten bleibt“.
Wenn Benedikt XVI. am heutigen Karsamstag seinen 95. Geburtstag begeht, dann gibt es keine Blasmusik, keine persönlichen Gratulanten aus seiner bayerischen Heimat. Angesichts seines fortgeschrittenen Alters und seiner körperlichen Gebrechlichkeit sind größere Feierlichkeiten nicht möglich.
Doch Glückwünsche gibt es trotzdem. Erzbischof Georg Gänswein, Privatsekretär des emeritierten Papstes, hatte die engsten Freunde und Wegbegleiter um Video-Glückwünsche gebeten. Dazu gehört natürlich die Tegernseer Gebirgsschützen-Kompanie, weil sie dem emeritierten Papst besonders am Herzen liegt. „Diesem Wunsch sind wir gerne nachgekommen“, sagt Florian Baier, Hauptmann der Tegernseer Kompanie, dessen Ehrenmitglied Joseph Ratzinger seit 20 Jahren ist. „Wir haben uns vor unserer Gebirgsschützenhütte getroffen, die Hauptmannschaft und der Salutzug. Mit zwei Marketenderinnen haben wir mit einem Schnapsl auf sein Wohl angestoßen.“ Post gibt es auch vom Landeshauptmann der Gebirgsschützen, Martin Haberfellner, aus Kochel: „In mehr als 40 Jahren des Kennens ist zwischen Kardinal Joseph Ratzinger und den Bayerischen Gebirgsschützen ein besonderes Vertrauens- und Freundschaftsverhältnis gewachsen.“ Haberfellner erinnert sich: „Anlässlich seines 70. Geburtstags hat er uns die rhetorische Frage zugerufen ,Quis nos separabit?’ – Wer könnte uns trennen? Niemand! Das war seine Antwort.“
Kardinal Reinhard Marx dankt in einem Brief dem Papst emeritus für sein großes theologisches Werk: „Du hast vielen Menschen geholfen, ihren Weg im Glauben zu finden.“ Ein persönlicher Brief von Ministerpräsident Markus Söder und Schmankerl aus der Heimat kommen aus der bayerischen Staatskanzlei. Auf einer Webseite (www.benedictusXVI.org.gratulation) reihen sich Glückwünsche aus aller Welt.
Vor 95 Jahren, am 16. April 1927, war Joseph Ratzinger in der Marktgemeinde Marktl am Inn im Kreis Altötting zur Welt gekommen. Er war das dritte von drei Kindern des Gendarmen Joseph Ratzinger. Der Kalender zeigte Karsamstag an – wie heute.
Die ganz große Euphorie wie 2005, als nach Jahrhunderten erstmals ein Bayer Papst wurde, mag es nicht mehr geben. „Aber wir Marktler stehen zu unserem Benedikt“, sagt eine Frau im Ort. Auch Bürgermeister Benedikt Dittmann bestätigt das. Dabei hatte das Münchner Missbrauchsgutachten im Januar 2022 dem einstigen Kirchenoberhaupt in seiner Zeit als Erzbischof Fehlverhalten im Umgang mit vier Missbrauchstätern attestiert – was dieser bestreitet. Entscheidend für den Bürgermeister und den Gemeinderat ist die weitere Stellungnahme Benedikts, der 1997 als Kurienkardinal zu seinem 70. Geburtstag Ehrenbürger in Marktl wurde. Eine Schar von Gläubigen versammelt sich heute im Geburtszimmer und stimmt ein Morgenlob an. Danach zieht man weiter in die Pfarrkirche Sankt Oswald zum dortigen Taufstein. Dort war Ratzinger vier Stunden nach seiner Geburt auf den Namen „Joseph Aloisius“ getauft worden.
Ein Interview zu seinem Geburtstag war nicht möglich. „Er muss sich sehr ausruhen“, erklärte Gänswein jüngst der italienischen Zeitschrift „Oggi“. Um 7.30 Uhr feiere er die Heilige Messe, danach höre er in seinem Sessel Musik. Benedikt XVI. falle das Sprechen schwer, sein Verstand aber sei klar und scharf wie eh und je.
Gerade deshalb muss ihn das mediale Gewitter getroffen haben, den das Münchner Missbrauchsgutachten verursachte. Darin wird ihm vorgeworfen, sich in seiner Zeit als Münchner Erzbischof (1977 bis 1982) in vier Fällen von Missbrauch an Kindern durch Geistliche falsch verhalten zu haben. Benedikt selber sieht sich in dem Bericht ungerecht dargestellt, bat aber alle Opfer sexuellen Missbrauchs um Entschuldigung.
Anhänger des früheren Papstes verweisen auf das gesamte Lebenswerk Joseph Ratzingers. Mit seinem Rücktritt als Papst hat er am 11. Februar 2013 auch das Papstamt geradezu reformiert. Es war der erste freiwillige Amtsverzicht eines Papstes seit 718 Jahren. Sein Nachfolger Franziskus wird wohl zu den wenigen persönlichen Gratulanten gehören an diesem Karsamstag. (mit kna)