Der große Traum der Agnes Becker

von Redaktion

VON BEATRICE OSSBERGER

Wegscheid – Kaum hat das Interview begonnen, klingelt es bei Agnes Becker an der Tür. Die Nachbarskinder fragen an, ob sie auf dem Heuboden spielen dürfen. Etwas später stehen die Kinder wieder da, dieses Mal wollen sie mit dem Hund raus, beim dritten Mal geht es um die Pferde. Agnes Berger entschuldigt sich für die Unterbrechungen. „Hier ist halt immer was los“, sagt sie und lacht.

Hier, das ist ein altes Haus in Wegscheid, einem idyllischen Markt im Bayerischen Wald. Agnes Becker lebt dort mit zwei alten Pferden, einem Hund und einer Katze und betreibt dort im Nebenerwerb eine kleine Landwirtschaft. Eigentlich ist sie Tierärztin, arbeitet aber seit vielen Jahren überwiegend ehrenamtlich für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) aktiv. Mitglied ist sie seit ihrem 16. Lebensjahr. Jetzt will die 41-Jährige Landeschefin werden.

Am 30. April wählt die ÖDP den Nachfolger des bisherigen Vorsitzenden Klaus Mrasek, der nicht mehr antreten möchte. Die stellvertretende Vorsitzende Agnes Becker stellt sich gemeinsam mit dem Münchner Stadtrat Tobias Ruff zur Wahl, denn, so viel steht fest, künftig soll der Verband von einer Doppelspitze geführt werden. Gegenkandidaten zum Duo Becker-Ruff gibt es bisher nicht.

„Das mit der Doppelspitze hat keine ideologischen, sondern praktische Gründe“, sagt Becker. „Wir wollen die viele Arbeit einfach auf mehrere Schultern verteilen.“ Den Gewässerökologen Tobias Ruff kennt sie schon lange und vor allem aus der Zeit des Bienen-Volksbegehrens. „Wir arbeiten sehr gut zusammen“, sagt sie.

Agnes Becker hat das bis dato erfolgreichste Volksbegehren in der bayerischen Geschichte maßgeblich mitinitiiert. Seitdem ist Becker im Freistaat das Gesicht der ÖDP, die sich selbst als „Bayerns wirksamste Oppositionspartei“ bezeichnet.

Ist das nicht sehr selbstbewusst für eine Partei, die, obschon 40 Jahre alt, es nie in den Landtag geschafft hat? „Na ja“, sagt Becker. „Aber tatsächlich sind wir doch die einzige Partei, die es geschafft hat, gegen den Willen der CSU Gesetze durchzubringen.“ Neben dem Bienen-Volksbegehren geht auch die Abschaffung des bayerischen Senats und das strengere Nichtraucherschutzgesetz auf die ÖDP zurück. „Wir sind das beste Beispiel dafür, dass sich auch außerparlamentarisch viel erreichen lässt“, sagt Becker.

Nur mit dem Profitieren hapert es noch, zumindest bei den bayerischen Landtagswahlen. 1,6 Prozent holte die ÖDP 2018. Das bisher beste Ergebnis gab es 1994 mit 2,1 Prozent. Besser läuft es auf kommunaler Ebene. Bei der Kommunalwahl 2020 konnte die Partei die Zahl ihrer Mandate von 380 auf 410 erhöhen. Sie stellt mehrere Bürgermeister und ist in vier Bezirkstagen dabei.

Fehlt nur noch der Landtag. Der Einzug ebendort ist Beckers großes Ziel, sollte sie zur Landeschefin gewählt werden. Dass es bisher nicht geklappt hat, liegt laut Becker vor allem daran, dass potenzielle Wähler Angst hätten, ihre Stimme zu verschenken. „Ich werde also vor allem dafür kämpfen, dass sich die Menschen trauen, uns zu wählen“, sagt sie.

Im Blick hat sie dabei vor allem die wechselwillige Wählerklientel der CSU. „Auch wir sind eine konservative Partei, gerade in der Familienpolitik“, sagt sie. „Allerdings haben wir ein ökologisches Gewissen.“ Und anders als die Grünen mache die ÖDP deutlich, dass es angesichts des Klimawandels nicht ausreiche, die Wirtschaft auf erneuerbare Energien umzustellen. „Wir alle werden verzichten müssen, denn auf einem begrenzten Planeten kann es kein unbegrenztes Wachstum geben“, sagt Becker. Die Botschaft vom Verzicht ist nicht die einfachste, um bei Wählern zu punkten. Das ist auch Becker bewusst. Sie lacht. „Ich liebe Herausforderungen“, sagt sie.

Artikel 11 von 11