Henndorf/Iffeldorf – Wie geht es eigentlich Michael Aufhauser? Dem Tierretter, der seine Idee von Gut Aiderbichl als Symbol für den würdevollen Umgang mit den Schwächsten in halb Europa etabliert hat – vom Ursprung in Henndorf bei Salzburg über die Schweiz und Frankreich bis nach Ungarn. Über 6000 gerettete Tiere leben heute auf 30 Höfen in sechs Ländern, unter anderem auch bei Iffeldorf (Kreis Weilheim-Schongau).
Aufhauser hatte es geschafft, das Tier als Mitgeschöpf in der Landesverfassung Salzburgs zu etablieren – weg von der Sache zum Lebewesen. Und er hatte die Vision, Aiderbichl in die ganze Welt zu tragen als Heimstatt der Menschlichkeit. In Frieden und liebevoll versorgt lebt der Visionär inzwischen auch selbst. 2015 riss ein geplatztes Aorten-Aneurysma Michael Aufhauser aus einem überbordend aktiven Leben, das dann nur noch an einem seidenen Faden hing: Eine neunstündige Notoperation, mehrere Schlaganfälle, wochenlanges Koma und eine monatelange, ja sogar jahrelange mühsame Rehabilitation folgten. Aufhauser hat nicht aufgegeben. Und trotz aller Einschränkungen, die geblieben sind, lebt er heute zurückgezogen und zufrieden in seiner Villa in Salzburg. Zwar ist Aufhauser blind, sitzt im Rollstuhl und ist 24 Stunden am Tag auf Pflege angewiesen. Trotzdem liebt er das Leben. Und er träumt auch jetzt, mit 70, immer noch laut davon, dass die ganze Welt voller Aiderbichls sein müsste. Regelmäßig sitzt er am Pavillon in seinem parkähnlichen Garten – seine zwölf Hunde in bellender Nähe. Immer mit dabei: seine Pflegerin Chris (58) aus Jamaika. Mit ihr tauscht er sich auf Englisch aus, und sie liest ihm jeden Tag die Zeitungen vor. Als Haushalts- und Kindermädchen war sie einst nach Österreich gekommen – sie hat viel Geduld und kann mit Aufhausers Ungeduld gut leben.
Viele Jahre wohnte Aufhauser in Boston, wo er Vizepräsident eines Touristikkonzerns war und immer neue All-inclusive-Konzepte entwickelte, als man in Europa das Wort noch gar nicht kannte, bevor er mit 40 seinem Leben eine neue Richtung gab. Nachdem er durch sein Bürofenster an der Costa del Sol beobachtet hatte, wie Straßenhunde für die Tötung in einer Gaskammer eingefangen wurden, ließ ihn der Gedanke nicht mehr los: Wenn Menschen so etwas tun, sind sie zu allem fähig. Er rettete diese Tiere. „Mir ist klar geworden, dass alles in einem Zusammenhang steht – der Umgang mit den Schwächeren als Spiegelbild unserer Gesellschaft.“ Mit seiner langjährigen Lebensbegleiterin und schließlich auch Ehefrau, der Industriellen Irène Florence Albert, kaufte er zur Jahrtausendwende Gut Aiderbichl in Henndorf und ließ es aus- und umbauen – mit damals 23 Tieren. Es war die Kernzelle einer großen Idee, die seit 2001 für knapp vier Millionen Besucher ein Ort zum Anfassen wurde. Inzwischen hat auf Gut Aiderbichl auch eine Akademie ihren Lehrbetrieb aufgenommen; sie entwickelt den Tierschutz weiter und vermittelt Wissen zur besseren Haltung von Vierbeinern.
Die pralle Lebensfülle ist vor sechs Jahren mit seiner Krankheit gewichen, es können auch keine Hunde mehr an Michaels Seite im Bett liegen. Aufhauser hat sich in seine innere Welt zurückgezogen, er telefoniert auch nicht mehr, obwohl man ihn früher nur mit Handy am Ohr kannte. „Ich habe in meinem Leben genug telefoniert und ich habe genug geraucht – das alles brauche ich nicht mehr“, meint er dazu. Am liebsten ist es ihm, wenn er wenig gestört wird – außer von seinen wichtigsten Weggefährten, Dieter Ehrengruber, Geschäftsführer von Gut Aiderbichl, und natürlich von Chris, der lebenslustigen Jamaikanerin.
Mit seinem Schicksal hadern – das tut Aufhauser nie. Er hat es angenommen, will auch nicht dauernd mit Fragen dazu konfrontiert werden. „Ich habe mein Leben gelebt. So wie es ist, ist es gut. Alles zu seiner Zeit.“