München – Als Tetiana Romanovska und ihr Mann Ende Februar bei einer Gastfamilie im Norden Münchens einzogen, hatten sie noch die Hoffnung, dass der Krieg in der Ukraine nicht lange dauern würde. Dass sie bald in ihre Heimatstadt Odessa zurückkehren könnten. Inzwischen sind zwei Monate vergangen. Die beiden sprechen bereits ein bisschen Deutsch – und gehen davon aus, dass sie sehr viel länger hierbleiben werden, als sie zunächst dachten. Doch ihre Gastfamilie kann das Zimmer nicht länger entbehren. Die beiden müssen bis Monatsende eine neue Wohnung finden. „Eine Verwandte von mir ist mit ihren beiden kleinen Kindern auch hier in München – und in derselben Situation“, erzählt die 31-Jährige. Sie und ihr Mann fragen seit Tagen jeden, den sie kennenlernen, nach einer Wohnung. Doch es scheint fast unmöglich, etwas Günstiges für zwei oder sogar fünf Menschen zu finden. „Ich habe Angst, dass wir bald auf der Straße stehen“, sagt Tetiana.
Diese Sorge haben gerade viele Ukrainer, die nach Bayern geflüchtet und erst mal in Gastfamilien untergekommen sind. Allein in München sind das 8000 Menschen. Im Landkreis München sind bisher rund 4600 geflüchtete Ukrainer untergekommen – der Großteil (3800) auch dort in Privathaushalten. Der Landkreis versucht sich bereits darauf vorzubereiten, dass viele der Ukrainer bald eine neue Bleibe brauchen werden, berichtet eine Sprecherin des Landratsamtes. In vielen Gemeinden werden gerade Container-Unterkünfte oder Traglufthallen gebaut, in Unterföhring wird eine Tennishalle zur Unterkunft umfunktioniert. „Aktuell sind es noch Einzelfälle, dass Ukrainer bei ihren Gastfamilien ausziehen müssen“, berichtet die Sprecherin. Die Zeit will der Landkreis nutzen.
„Es ist immer klar gewesen, dass die Gastfamilien ihren Wohnraum irgendwann zurück brauchen“, sagt Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags. Auch er geht davon aus, dass sich die Fälle in den kommenden Wochen stark häufen werden. Das Problem: Besonders in den Ballungsräumen ist der Wohnraum ohnehin schon sehr knapp. „Wir können nicht für alle Geflüchtete Wohnungen finden.“ Natürlich sei aber auch die Unterbringung in Traglufthallen oder Container keine Dauerlösung, betont Buckenhofer. Die Verteilung innerhalb Deutschlands, aber auch innerhalb Bayerns müsste besser geregelt werden, fordert er. „Die großen Städte mit dem wenigsten Wohnraum sind grade am stärksten belastet.“ Gerade in Bayern seien besonders viele Ukrainer untergekommen – etwa ein Drittel der Geflüchteten in Deutschland. Bei einer Verteilung nach dem Königssteiner Schlüssel läge der Anteil für Bayern bei 15,3 Prozent, sagt Buckenhofer.
Hinzu kommt in ein paar Wochen ein weiteres Problem – ein bürokratisches. Denn die Zuständigkeit ändert sich. Ab Juni gelten für Kriegsflüchtlinge nicht mehr die Regeln des Asylbewerberleistungsgesetzes, sondern die der Sozialgesetzbücher. Damit sind nicht mehr die Landratsämter für die Unterbringung zuständig, sondern die Kommunen (wir berichteten). Für die Geflüchteten selbst wird sich dadurch kaum etwas ändern. Der Aufwand, um diesen Wechsel umzusetzen, sei aber groß, sagt Buckenhofer.
Auch die Caritas beobachtet die Wohnsituation für die Geflüchteten mit großer Sorge. Immer mehr Ukrainer müssten nun aus Privatwohnungen ausziehen, sagt Wilhelm Dräxler von der Caritas Fürstenfeldbruck. Nicht nur in seinem Landkreis häufen sich die Fälle. „Entweder waren die Angebote nur befristet oder die Menschen haben sich nicht gut verstanden.“ Die meisten, die ausziehen müssen, werden in Sammelunterkünfte ziehen müssen. „Das kann natürlich auch keine Dauerlösung sein“, sagt Dräxler. 2015 waren viele junge Männer in Turnhallen oder Containerdörfern untergebracht. Frauen mit kleinen Kindern sei so was aber nicht lange zumutbar. Es werde bereits geprüft, ob leer stehende Altenheime oder kirchliche Gebäude für die Unterbringung genutzt werden können. „Viele hoffen, dass der Krieg nicht mehr lange dauert.“ Er fürchtet, dass es anders kommen wird – und das Problem in den kommenden Monaten vermutlich noch größer wird. Weil noch mehr Menschen flüchten. Oder weil auch die Männer nachkommen, wenn der Krieg vorbei ist und von ihrer Stadt nichts mehr übrig geblieben ist.
Tetiana Romanovska und ihr Mann haben zumindest übergangsweise eine Lösung gefunden. Sie haben nach wochenlanger Suche jemanden gefunden, der ihnen eine Wohnung in Garching zur Verfügung stellt. Kostenlos. Allerdings nur für drei Monate. Dann wird das Gebäude abgerissen. Und für die beiden geht die Wohnungssuche von vorne los.
Sammelunterkünfte können keine Dauerlösung sein