München/Lenggries – Ein Überraschungsei zu Ostern. So bezeichnet Eberhard Pichler das Osterpaket von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Pichler betreibt an der Isar bei Lenggries im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen ein Wasserkraftwerk mit einer Leistung von 500 Kilowatt. Und eigentlich dachte er, dass es mit der grünen Regierungsbeteiligung in Berlin endlich vorangeht beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Doch dann kam Habeck mit seinem Osterpaket. Und der Ankündigung, dass Wasserkraftanlagen wie die von Eberhard Pichler mit einer Leistung bis 500 Kilowatt künftig nicht mehr gefördert werden sollen. Pichler fürchtet, dass das der Anfang vom Ende für die vielen kleinen Wasserkraftanlagen in Bayern sein könnte.
Von den rund 4300 Wasserkraftwerken in Bayern verfügen nach Angaben des Branchenverbands etwa 3800 über installierte Leistungen von weniger als 500 Kilowatt. Sie sollen künftig nicht mehr über das EEG-Gesetz gefördert werden – aus ökologischen Gründen. Zwar fallen viele Wasserkraftwerke noch unter ältere Versionen dieses Gesetzes. Doch nach bestimmten Fristen könnten auch sie aus der Förderung fallen und unrentabel werden. Und auch für Modernisierungen könnte es kein Geld vom Staat mehr geben.
Das Wasserkraftwerk von Eberhard Pichler wird zwar momentan noch unbefristet gefördert. Er bekommt über die EEG-Umlage 7,67 Cent pro Kilowattstunde Strom –und kann mit seinem Kraftwerk nach eigenen Angaben mehr als 1000 Haushalte in der Region mit Strom versorgen. Doch er fürchtet, dass das neue Gesetz nur der Anfang ist – und die Regierung sich künftig von der kleinen Wasserkraft verabschiedet. „Wenn das wirklich so umgesetzt wird, werden die kleinen Wasserkraftanlagen nach und nach vom Markt verschwinden“, sagt Pichler. Gerade in der Energiekrise kann er diese Entscheidung nicht nachvollziehen. „Wo soll die Energie denn sonst herkommen? Wir sind dezentral und grundlastfähig. Wir stabilisieren das Netz auch dann, wenn kein Wind bläst und wenig Sonne scheint.“
Die Staatsregierung sieht das ähnlich. „Wir kritisieren, dass der Bund vorhat, die Wasserkraft in Bayern abzuschießen“, sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) diese Woche. Die kleinen Wasserkraftwerke in Bayern lieferten zusammen eine Versorgungsleistung, mit der man einen Regierungsbezirk wie Niederbayern versorgen könne. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte unserer Zeitung: „Wir wollen die Wasserkraft steigern und wehren uns, dass die Grünen in Berlin uns den Wasserhahn abdrehen.“ Das sei „ein Schlag gegen die wichtigste oberbayerische erneuerbare Energie“. Auch Umweltminister Thorsten Glauber (FW) fordert, die Wasserkraft nicht gegenüber anderen erneuerbaren Energien zu benachteiligen. Bayern will nun eine Bundesratsinitiative starten, um das geplante Gesetz zu korrigieren.
Naturschützer hingegen begrüßen die Pläne im Bund. Sie vertreten die These: Der ökologische Schaden ist höher als der Nutzen für die Energieerzeugung. Die vielen kleinen Wasserkraftanlagen in Bayern liefern nur acht Prozent des gesamten Wasserkraftstroms, sagt Richard Mergner, Landesvorsitzender beim Bund Naturschutz. „Gleichzeitig ist der Betrieb mit hohen Naturbelastungen verbunden.“ Vor allem für Fische auf dem Weg zu ihren Laichgebieten seien die Anlagen eine enorme Gefahr. Auch eine Gruppe von 65 renommierten Fachwissenschaftlern hat sich für einen Förderstopp für Kleinwasserkraftanlagen ausgesprochen.
Eberhard Pichler hat dafür wenig Verständnis. „Natürlich müssen unsere Gewässer geschützt werden“, sagt er. Aber es sei zu kurz gesprungen, nur der Wasserkraft die Schuld am schlechten Zustand der Fischbestände zu geben. „Da gibt es viele Ursachen: die Landwirtschaft, die Kläranlagen, Schwermetalleinträge, Straßenentwässerungen und nicht zuletzt die Anglerei.“ Zudem seien die Wasserkraftwerke nur ein sehr kleiner Teil der für Fische hinderlichen Querbauten an Bayerns Flüssen.
Pichler hofft, dass sich in Bundestag und Bundesrat noch etwas bewegt in dem geplanten Gesetz. Dafür hat er mehrere bayerische Grünen-Abgeordnete im Bundestag angeschrieben – mit dem Appell: „Gerade in diesen Zeiten, die uns zeigen, wie abhängig wir uns von Energieimporten gemacht haben, sollte wirklich jede regional und umweltfreundlich erzeugte Kilowattstunde zählen.“
Bayern will im Bundesrat intervenieren