Das Risiko unter der Erde

von Redaktion

VON KILIAN PFEIFFER UND KATRIN WOITSCH

Teisendorf – Das rot-weiße Absperrband flattert am Montagmorgen im Wind. Daneben stehen Schilder. Der Zutritt ist verboten. Das Wohnhaus in Teisendorf im Berchtesgadener Land ist am Montagmorgen weiträumig abgesperrt. Nur Geologen und Einsatzkräfte dürfen auf das Grundstück, auf dem sich am Wochenende ein großer Krater aufgetan hat (wir berichteten). Auch der Teisendorfer Bürgermeister Thomas Gasser ist vor Ort, um sich selbst ein Bild zu machen. „Ob das Haus gesichert werden kann, ist noch nicht klar“, sagt er. Aber Angst müsse niemand haben. Die Erde scheint zur Ruhe gekommen zu sein, bestätigt auch die Regierung von Oberbayern.

Das Loch in der Erde war am Freitag aufgebrochen und im Laufe des Wochenendes immer größer geworden. Der VW Golf der Familie, der direkt daneben geparkt war, stürzte am Samstag in den Krater. Bisher schätzt die Regierung den Schaden auf rund 50 000 Euro. Die fünfköpfige Familie musste in ein Hotel umziehen. Die Einsatzkräfte haben die Absperrung um das Wohnhaus vorsichtshalber erweitert. Das steile Gelände gilt als von Stollen durchzogen. Seit 1925 gibt es im sogenannten Grubenfeld Matthäuszeche keinen Bergbau mehr, das Bergwerk wurde stillgelegt. Damals war der Baugrund günstig, erzählt eine Anwohnerin.

„Nicht alle Stollen im Untergrund sind vermessen“, berichtet Bürgermeister Gasser. Am Montag hatten die Experten die Stollen begangen. Geologen sind mit den Untersuchungen beschäftigt. Noch gibt es kaum Erkenntnisse aus dem Untergrund.

Gasser ist vor allem froh, dass niemand verletzt wurde. Die Anwohner müssten keine weiteren Krater fürchten, versichert er. „Wir kennen die Kartierungen des ehemaligen Bergbaus sehr genau.“ Der betroffenen Familie sei bekannt gewesen, dass es Setzungen im Untergrund gibt. „Die Leute hier können damit umgehen“, ist der Bürgermeister sicher.

In der Region ist die Bergbau-Vergangenheit zwar tief unter der Erde versteckt – aber doch sehr präsent. Nicht erst, seit sie in Teisendorf wieder sichtbar geworden ist. „Wahrscheinlich haben bei uns schon die Römer nach Erz geschürft“, sagt Roland Klosa, Vorstand vom Achthal Museum. Die Anfänge des sogenannten Eisenstein-Bergwerks Matthäus gehen auf das Jahr 1537 zurück. Der Gewerkschaft Achthal gab der Fürsterzbischof Matthäus Lang die für die Errichtung eines Bergwerks erforderliche Verleihungsurkunde. In vielen Jahrhunderten ist das unterirdische Stollensystem immer weiter gewachsen. Allein der Transportstollen aus dem 19. Jahrhundert, von dem aus viele andere wegführen, ist zwei Kilometer lang. Er wird gerade saniert, berichtet Klosa. „Die Pläne zu dem unterirdischen Stollensystem sind sehr alt.“ Ob sie vollständig sind, wisse niemand genau. Einige Stollen und Schächte seien bereits mit Kies aufgeschüttet.

An manchen Orten in und um Teisendorf gibt es Hinweisschilder mit der Aufschrift „Achtung, Bergbau! Betreten verboten“. Wer ganz genau hinsieht, kann dort wellenartige Unebenheiten erkennen. „Viele Anwohner wissen wohl aber nichts davon, wenn ihre Häuser über den ehemaligen Schächten oder Stollen gebaut sind“, glaubt Klosa.

Einen Krater wie diesen hatte es in Teisendorf das letzte Mal 1942 gegeben, erzählt Klosa. Er selbst hat damals noch nicht im Ort gelebt, kennt aber die Erzählungen der ältesten Dorfbewohner. „Damals ist ein komplettes Haus in einem eingebrochenen Schacht verschwunden“, erzählt er. „Zuerst ist nur ein Teil des Untergrunds weggerutscht – aber ziemlich schnell war klar, dass das Haus nicht mehr zu retten ist.“

Aktuell sind das Bergamt Süd und die Immobilien Bayern damit beschäftigt, Lösungen für die Sicherung zu finden. Viele Fragen sind aber noch offen. Zum Beispiel, wann die Familie wieder ins Haus darf. Und ob sie eine Entschädigung bekommen wird. Der Bürgermeister sagt dazu: „Letztlich muss geklärt werden, was die Ursache war.“

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