Großer Gründergeist – oder „ein bisschen Nichts“?

von Redaktion

München – Was für eine Ironie der Geschichte. Über Jahrzehnte kämpften CSU-nahe Studenten, organisiert im RCDS, gegen eine „Verfasste Studentenschaft“ für Bayern. Man müsse solcherlei „linken Sumpf trockenlegen“ (1974), wurde getobt, ein „Zwangskorporatismus“ sei das, „mit dem Ziel, den Studenten das Geld aus der Tasche zu ziehen und zu verjubeln“ (2010). Und jetzt legt ausgerechnet der frühere RCDS-Vorsitzende Markus Blume ein Gesetz vor, das ein ähnliches Konstrukt feierlich einführt.

Blume, Studenten-Chef von 1999 bis 2001, ist heute Bayerns neuer Wissenschaftsminister. Ja, er muss selbst schmunzeln, wie er früher mit Kommilitonen über Studentengremien wütete, die mit den ihnen anvertrauten Geldern nur „Marx, gebunden in Schweinsleder“ beschaffen und lesen würden. Doch nun hat Blume das neue Hochschulgesetz durch das Kabinett gebracht, das erstmals (schön gegendert) einen „Landesstudierendenrat“ für Bayern vorsieht.

Dabei ist das nur ein nachrangiges Detail des neuen Gesetzes. Größer ist der Ansatz, Bayerns Hochschulen neuer und freier aufzustellen, mehr Forschung, mehr Technologie-Offenheit, mehr Ausgründungen zu ermöglichen. Blume hat das in der Wissenschafts-Szene hoch umstrittene und deshalb immer wieder verzögerte Gesetz von Vorgänger Bernd Sibler (auch CSU) übernommen – aber in Details entschärft. Unter anderem wird am Machtgefüge innerhalb der Hochschulen doch nicht gerüttelt. Lediglich Frauen-Quoten von 40 Prozent werden den Uni-Leitungen unverbindlich ans Herz gelegt.

Kernanliegen des Gesetzes, das nun bis Jahresende im Landtag beraten wird: Das Berufungsrecht für Professoren wird vereinfacht, für Hochkaräter soll es Schnellverfahren („Exzellenzberufungen“) geben. „Wir wollen die besten Köpfe in Bayern“, sagt Blume. „Wir müssen dafür schneller werden.“ Unis bekommen die Freiheit, Rücklagen zu bilden, ihr Bau-Management selbst zu betreiben, Spitzenforscher von der Lehre freizustellen. Die Hochschulen und ihre Professoren dürfen bei Startups ihrer Studenten leichter einsteigen. „Gründergeist an Bayerns Hochschulen wehen lassen, Innovationsfreude entfesseln“, sagt der CSU-Minister. Er verspricht gleichzeitig, dass die Sozial- und Geisteswissenschaften nicht zurückstecken müssen.

Hochschulen für angewandte Wissenschaft bekommen ein Promotionsrecht, für Kunsthochschulen wird es ausgeweitet. Neu ist auch, dass rein englischsprachige Studiengänge erlaubt werden. Für experimentierfreudige Hochschul-Chefs gibt es eine „Innovationsklausel“, weit vom neuen Gesetz abzuweichen und noch eigenständiger zu agieren. Dazu zählen auch Studienbeiträge für Nicht-EU-Ausländer. Das Gesetz erlaubt das als Option.

Kombiniert mit Bayerns 3,5 Milliarden Euro schwerer Hightech-Agenda soll das helfen, wieder in der Weltspitze zu landen. Dass die Unis außerhalb Münchens in der letzten bundesweiten Exzellenz-Runde abgehängt wurden, passte kaum zur „Mia-san-super“-Rhetorik der christsozialen Bildungspolitik. Blume soll das wieder ändern.

Die Regierungsfraktionen, auch Koalitionspartner Freie Wähler, sind im Boot. Die Reaktionen der Opposition lassen dennoch zornige Landtagsdebatten erwarten. „Peinlich uninnovativ“ nennt die Grünen-Politikerin Verena Osgyan noch während Blumes Auftritt die Pläne. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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