77-Jährige verlor Millionen

von Redaktion

Wissenschaftlerin ging Telefon-Betrügern auf den Leim

Vaterstetten – Digitale Technik ist ein schnelllebiges Geschäft. Einige Senioren kommen oft nicht nach. Diesen Umstand nutzte eine Betrügerbande aus und ergaunerte sich per Telefon von einer Biologin 2,1 Millionen Euro. „Ich hätte es merken müssen“, machte sich gestern eine rüstige Rentnerin aus Vaterstetten (Kreis Ebersberg) erhebliche Vorwürfe.

Vor dem Landgericht München II wird einem Bandenmitglied (36) der Prozess gemacht. Der gelernte Buchbinder aus Ottobrunn (Kreis München) soll die 77-Jährige ausgenommen haben. Er bestreitet die Tat.

Angefangen hatte alles im Oktober 2020. Damals erhielt die promovierte Biologin einen Anruf, angeblich von der Kripo Erding. Der falsche Polizist warnte die Seniorin vor einem möglichen Einbruch. Man habe Mitglieder einer rumänischen Einbrecherbande gefasst und auf einem Zettel ihren Namen samt Adresse gefunden. Der „Kriminaler“ riet der älteren Dame, sich einzusperren.

Am nächsten Tag rief er wieder an. „Ich habe dem Kerl so getraut, ich kann es heute nicht mehr begreifen“, ärgerte sich das Opfer zu Prozessauftakt. Die 77-Jährige steht mit beiden Beinen im Leben, betreibt eine Stiftung, in der sie ihre wissenschaftlichen Kenntnisse einbringt – und dann ging sie den Betrügern so auf den Leim. Offenbar war der falsche Polizist an ihre Bankdaten gelangt. Er kopierte die Stimme ihres Bankberaters in ein Telefonat. Die verzerrte Stimme führte die Frau auf ihre Schwerhörigkeit zurück. „Ich habe an mir gezweifelt“, sagte sie.

Dann rief ein Dr. Münz von Interpol an, der später von Herrn Weber ersetzt wurde. Hinter Herrn Weber soll sich der Angeklagte verstecken, der allerdings anders heißt. Die 77-Jährige sah niemals einen dieser Männer. Deshalb erkannte sie im Sitzungssaal auch den Angeklagten nicht wieder. Der befindet sich auf freiem Fuß. Er ist vorbelastet, wurde 2014 wegen Geldwäsche in einem ähnlich gelagerten Fall zu einer Bewährungsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

Mit dem falschen Herrn Weber begann die Geschädigte ihr Geld auf ein „sicheres Konto“ bei einer anderen Bank zu transferieren. Mit dem Programm „Team Viewer“, das ihr die Tochter installiert hatte, half der äußerst freundliche Berater der Rentnerin. 15 Überweisungen wurden getätigt. Herr Weber wandelte das Geld in die Krypto-Währung Bitcoins um. Alles ging in die Türkei. Der Frau wurde die absolute Sicherheit vorgegaukelt, dass sie ihr komplettes Geld wiederbekommen würde. Keinen Cent sah sie von den 2,1 Millionen Euro wieder.

„Ich habe auch nachts den Computer laufen gelassen“, gab sich die Wissenschaftlerin eine gewisse Mitschuld. „Ein Schwachpunkt von mir war, dass ich nicht geschaut habe, was auf dem neuen Konto passierte“, sagte sie. Selber überwies sie einen sechsstelligen Betrag aus dem Stiftungs-Vermögen sowie weitere 600 000 Euro auf das neue Konto. Diese beiden Summen konnte sie wieder zurückholen.

Weil die Betrüger wussten, dass noch ein Millionen-Anlage-Paket frei werden würde, hielten sie die 77-Jährige mit regelmäßigen Telefonaten bei Laune. Doch irgendwann kippte die Stimmung der Männer. Sie wurden aggressiv und die Geschädigte hellhörig. Sie informierte die „echte“ Polizei. Der Prozess dauert an. ANGELA WALSER

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