Aschaffenburg/Houston – „Ich hatte nur nach etwas gesucht, das interessant ausschaut“, erinnert sich die Texanerin Laura Young gegenüber dem US-Sender CNN an den Tag, als sie 2018 bei einem Wohltätigkeits-Basar in Houston eine etwas ramponiert wirkende Büste entdeckte und für 34,99 Dollar (33 Euro) erstand. „Das war ein Schnäppchen und es gab keinen Grund, nicht zuzuschlagen.“
Sie ahnte noch nicht, was es mit dem Marmorkopf auf sich hatte. Doch irgendwie war sie neugierig geworden. Vier Jahre später wandte sie sich an das Kunstmuseum in San Antonio (Texas). Sie kontaktierte auch Auktionshäuser und Experten, um irgendetwas über den Steinkopf herauszubekommen. Schließlich wurde das Londoner Auktionshaus Sotheby’s mit seiner Niederlassung in New York fündig: Es handelt sich um eine Büste aus dem alten Rom, etwa 2000 Jahre alt.
Ein Spezialist durchforstete Datenbanken und fand schließlich Fotos des Marmorkopfes aus den 1930er-Jahren, aufgenommen in Aschaffenburg. Und siehe da: Young hatte eine Büste erstanden, die einst dem bayerischen König Ludwig I. (1786-1868) gehört hatte. Der war ein großer Antikenfan und gerne in Aschaffenburg, wo er das milde Klima im dortigen Schloss Johannisburg genoss. 1840 bis 1848 ließ er auf einem Felsen über dem Main von seinem Hofarchitekten Friedrich von Gärtner eine Nachbildung einer Villa des römischen Pompeji errichten.
„Die Büste fand dort bereits mit der Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 1850 seinen Platz“, berichtet Martin Schweiger, Sprecher der Bayerischen Schlösserverwaltung, die auch das Pompejanum betreut. Auch andere antike Büsten schmückten die römische Villa. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Pompejanum schwer beschädigt – durch Bombenangriffe und Artilleriebeschuss. Die im Pompejanum ausgestellten Kunstschätze waren aber in bombensicheren Depots ausgelagert worden. In der Nachkriegszeit verliert sich die Spur der Büste, die Sextus Pompeius (67 – 35 v. Chr.) darstellen soll, einen Militärführer aus der Zeit von Julius Cäsar.
Doch wie kam die Büste nach Amerika? „Da sie in den USA gelandet ist, scheint es wahrscheinlich, dass ein Amerikaner, der in Deutschland stationiert war, sie in die Hände bekommen hat“, mutmaßt Lynley McAlpine vom Kunstmuseum in San Antonio gegenüber CNN. Laura Young würde auch gerne wissen, wie die Büste nach Texas kam. Sie möchte gerne den Spender kennenlernen, der die Büste im Laden abgegeben hat.
Die Büste gehört übrigens immer noch dem Freistaat Bayern. Sie wird jetzt im Kunstmuseum in San Antonio ausgestellt. Nächstes Jahr soll sie wieder nach Aschaffenburg zurückkehren. In Bayern freut man sich schon: „Bei der Bayerischen Schlösserverwaltung herrscht große Freude über die Wiederentdeckung eines verloren geglaubten Stücks bayerischer Geschichte. Wir bedanken uns beim San Antonio Museum of Art für die Unterstützung bei der Rückführung des antiken Porträts“, so Martin Schweiger von der Schlösserverwaltung.
Ob Laura Young jetzt reich wird? „Über die Modalitäten der Rückgabe ist Vertraulichkeit vereinbart worden“, sagt Schweiger. JOHANNES WELTE