Moosburg/München – Wer heute Überreste des Stalag VII A sehen möchte, muss gut suchen: Es existieren nur noch drei Baracken der ehemaligen Wachmannschaften sowie eine Gefangenenbaracke. Weil es in Moosburg über Jahrzehnte Versäumnisse bei der Erinnerungskultur gab, reicht ihr Zustand von marode bis – im Fall der Gefangenenbaracke – akut einsturzgefährdet.
Es sind die Überreste einer schrecklichen Geschichte. Das Stalag („Stammlager“) VII A gab es von 1939 bis 1945, insgesamt waren dort über 150 000 Kriegsgefangene registriert und in südbayerischen Arbeitskommandos eingesetzt. Geplant war das Lager ursprünglich für 10 000 Gefangene, bei Kriegsende befanden sich dort allerdings rund 80 000 Menschen aus diversen Ländern – viele aus den USA. Denn die Wehrmacht internierte dort zum Beispiel auch alliierte Flieger, die abgeschossen worden waren und in deutsche Gefangenschaft gerieten. Nach Schätzung der Historikerin Susanne Meinl, die amerikanische Akten ausgewertet hat, waren allein 32 730 Kriegsgefangene in verschiedenen deutschen Lagern Angehörige der US Air Force.
Einer von ihnen war Thomas F. Jeffers, der im Juni 1944 mit seiner Crew über Norddeutschland abgeschossen worden war. Über mehrere Lager kam Jeffers ins Stalag Luft 3 bei Sagan/Schlesien – und von dort im Januar 1945 nach einem langen Fußmarsch und dann per Güterwaggon nach mehrtägiger Fahrt nach Moosburg.
Das Stalag war zwar kein KZ, aber die Bedingungen waren furchtbar. „Das Lager war überfüllt und dreckig – keine medizinische Versorgung, überflutete Latrinen, ekliges Essen und unmenschliche Behandlung“, sagt Jeffers Tochter Marilyn Walton, die im US-Bundesstaat Ohio als Historikerin arbeitet. „Die Befreiung konnte gar nicht schnell genug kommen für all die leidenden Menschen.“
Noch schlimmer als den Amerikanern erging es den sowjetischen Kriegsgefangenen – tausende von ihnen wurden von Moosburg aus erst ins KZ Dachau transportiert und später bei Hebertshausen (Kreis Dachau) erschossen. Auch in Oberreit bei Moosburg gibt es einen großen Friedhof für verstorbene Kriegsgefangene.
Nach Kriegsende wurde das Stalag erst zum Internierungslager, ab 1948 wurden die Baracken dann von Heimatvertriebenen besiedelt. Lange Zeit hat sich die Stadt Moosburg um die Baracken nicht gekümmert. Jetzt aber gibt es einen massiven Konflikt, den selbst der Freisinger Landrat Helmut Petz (FW), ein erfahrener Jurist, als harte Nuss betrachtet.
Auf der anderen Straßenseite der Wächterbaracken liegt das Schulzentrum Nord – das aus allen Nähten platzt. Eine Mensa und ein Sportplatz ist just dort geplant, wo derzeit noch die Baracken mit ihren zugenagelten Türen und eingeschmissenen Fenstern stehen. Es stehe „Verfassungsauftrag gegen Verfassungsauftrag“, sagt Petz. Will heißen: Der Staat ist sowohl einer ordentlichen Bildungsinfrastruktur als auch dem Denkmalschutz verpflichtet. Im Moosburger Stadtrat hatte es sogar schon einen Beschluss gegeben, der nur den Verbleib einer Wächterbaracke vorsah. Doch Denkmalschützer, Nachfahren von Gefangenen sowie geschichtsinteressierte Bürger intervenierten und bremsten die Pläne wieder ein – 2013 wurden die Baracken in die Denkmalliste aufgenommen. „Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welche Bedeutung das Kriegsgefangenenlager deutschlandweit, eventuell sogar weltweit hat“, erklärte Landrat Helmut Petz im vorigen Jahr, als er eine Projektgruppe ins Leben rief, die ein Dokumentationszentrum über das Stalag VII A zum Ziel hat. Auch die Stadt plant ein Museum.
Mittlerweile hat sich die Debattenlage etwas geändert: Dem Landratsamt liegt ein städtischer Abrissantrag für zwei Baracken vor. Petz machte während einer Podiumsdiskussion kürzlich in Moosburg deutlich, dass er den Antrag genehmigen werde, wenn die Erweiterung der Schule an keiner anderen Stelle möglich wäre – und das sehe nicht so aus. Historikerin Susanne Meinl, die soeben eine Studie über Durchgangslager für alliierte Flieger publiziert hat, hält das für ein Unding: „Gerade für Schulen wären die Baracken doch wichtig. An ihnen lassen sich wichtige Aspekte der Geschichte des 20. Jahrhundert erzählen.“
Der Fall könnte auch in den USA Aufmerksamkeit erregen. Die amerikanische Historikerin Marilyn Walton hat Moosburg mehrmals besucht. Sie arbeitet an einer historischen Serie (Arbeitstitel: Masters of the Air) für Apple TV, Produzenten sind Steven Spielberg und Tom Hanks. Dreharbeiten sollen, wie Walton unserer Zeitung sagt, auch in Moosburg stattfinden. „Ich hoffe, dass sich die Stadt für den Erhalt der Baracken entscheidet.“