München – „Energieplan Bayern – sicher, bezahlbar, erneuerbar“, unter dieser Überschrift will Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) am Dienstag erklären, wie Bayerns Energieversorgung zukünftig gestaltet wird. Details sind dazu noch nicht bekannt, sein Fraktionschef Florian Streibl gab aber gestern schon einmal die Grundlinie vor: Nach Russlands Überfall auf die Ukraine müsse „konsequent und zeitnah“ eine „dezentrale Energiewende mit allen zur Verfügung stehenden technischen Mitteln“ umgesetzt werden.
Die Frage ist nur: Wie? „Wir werden klotzen statt kleckern“, erklärt Streibl. Er nennt Windkraft, Biomasse, Photovoltaik und Wasserkraft, dazu Solar- und Geothermie als ausbaufähig – ohne konkreter zu werden. Aktuell ist es um Bayerns Stromversorgung wie folgt bestellt: 17 Prozent kommen aus der Photovoltaik, 14,7 Prozent aus der Wasserkraft, 6,4 Prozent aus Windkraftanlagen und 14 Prozent werden durch Biomasse erzeugt. Der große Rest – über 47 Prozent – kam laut Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft 2020 aus Kernkraft, Kohle, Erdgas und Öl. Fast die Hälfte der derzeitigen Stromproduktion muss also umgebaut werden.
Am umstrittensten ist der Ausbau der Windkraft. Ende April hat die CSU hart mit sich gerungen und dann Lockerungen bei der bayerischen 10H-Regel angekündigt, nach der der Mindestabstand eines Windrades zur nächsten Wohnbebauung das Zehnfachen der Windrad-Höhe betragen muss. Nun soll in bereits für die Windkraft reservierten sogenannten Vorranggebieten und auf „vorbelasteten“ Flächen wie entlang von Autobahnen, vierspurigen Bundesstraßen oder Bahnstrecken mehr Windkraft erlaubt sein, ebenso etwa auf Truppenübungsplätzen und in Wäldern. 1000 Meter Abstand zur Bebauung sollen ausreichen. Insgesamt 800 neue Anlagen könnten dann Platz haben, erklärte die CSU.
Reicht das? Der Energieexperte der Grünen-Landtagsfraktion, Martin Stümpfig, hat Zweifel. Er rechnet gegenüber unserer Zeitung vor, dass auf den bestehenden Vorranggebieten zu den bisher bestehenden 1100 Anlagen nur noch etwa 250 neue Windräder Platz hätten. Die weiteren Lockerungen seien sehr vage, beispielsweise seien die vier Truppenübungsplätze in Bayern allesamt als Vogelschutzgebiete ausgewiesen.
Beim Versprechen, Windanlagen entlang von Bahnstrecken und Autobahnen zu bauen, meldet Stümpfig Informationsbedarf an. Auch hier benötige man Abstandsregeln, im Moment gebe es unterschiedliche Vorgaben in den 18 bayerischen Planungsregionen. So habe der Regionale Planungsverband Westmittelfranken verfügt, dass ein Windrad 300 Meter Abstand zur Autobahn und 150 Meter zu sonstigen Straßen und Bahnstrecken haben müsse. Fazit von Stümpfig: „Die Lockerungen bei 10H sind viel zu gering. es reicht hinten und vorne nicht.“
Das wiederum hält Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger für „völligen Unsinn“, wie er unserer Zeitung sagte. An seine Aussage mit den höchstens 250 Anlagen zusätzlich könne Stümpfig „eine Null anhängen, dann kommt er dem Potenzial sehr nahe“. An potenziellen Windkraft-Flächen mangele es nach den jüngsten Lockerungen nun nicht mehr, betonte Aiwanger. Jetzt komme es nur darauf an, Investoren zu finden.
Der Streit im Landtag dürfte sich auch um den Ausbau weiterer Energieträger drehen. So drängte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zuletzt mehrmals auch auf den Ausbau der Wasserkraft. Stümpfig sagt, eine Steigerung der Stromproduktion durch die Wasserkraft um gleich 15 Prozent, wie von Söder vorgeschlagen, sei nicht machbar. „Tatsächlich ist mit einem leichten Rückgang der Stromproduktion aufgrund der zunehmend trockenen Sommer zu rechnen.“ Auch die Kernkraft dürfte am Dienstag einmal mehr zur Sprache kommen. Die Freien Wähler halten sie als „grundlastfähige Sicherheitsunterstützung“ (Streibl) für weiter zumutbar. Die Grünen sind bekanntlich dagegen.