NACHGEFRAGT

Die Angst loszulassen

von Redaktion

In einem vollgestopften Raum kann man sich nicht wohlfühlen, ist Annette Walser überzeugt. Die 46-jährige Raumgestalterin bietet deshalb auch einen Service als Ordnungscoach an. Denn bevor man einen Raum optimieren und verschönern kann, sollte man sich auf das beschränken, was man wirklich braucht, erklärt sie. Dabei weiß sie aber auch, wie schwer es sein kann, sich von einem Gegenstand zu trennen.

Wie oft müssen Sie selbst noch aufräumen?

Aufräumen tue ich jeden Tag etwas, indem ich Dinge nach deren Benutzung an ihren Platz zurücklege oder Wäsche und Geschirr aufräume. Oft sprechen wir aber von aufräumen, wenn wir eigentlich ausmisten meinen. Wenn man mal eine gewisse Grundordnung geschaffen hat und alle Dinge ihren festen Platz haben, geht das tägliche Aufräumen schneller und leichter von der Hand.

Wie räumt man richtig auf?

Da gibt es unterschiedliche Ansätze. Marie Kondo empfiehlt beispielsweise nach Kategorien in einer bestimmten Reihenfolge aufzuräumen. Das ist sehr gründlich, braucht aber richtig Zeit. Eine andere Möglichkeit ist es, kleinere Projekte wie einzelne Schränke anzugehen und diese gründlich durchzuforsten und dann für jedes Teil zu entscheiden. Grundsätzlich gibt es nicht die eine richtige Methode für alle. Entscheidend ist es aber immer, systematisch vorzugehen und dranzubleiben.

Wie verhindert man, dass man, statt aufzuräumen, einfach nur umräumt?

Wenn ich einfach alles von einem Platz an einen anderen umräume, habe ich das Problem im Grunde nur verlagert. Es geht darum, Entscheidungen zu treffen: behalten oder weggeben. Und dann ist es ganz wichtig, für alles einen festen Platz festzulegen.

Wann sollte man sich von Dingen trennen?

Wenn ich sie nicht brauche und sie mir keine Freude bereiten. Natürlich sortiere ich nicht alle Hämmer aus, wenn ich mehrere habe. Aber brauche ich fünf, oder reicht einer? Denjenigen, den ich am liebsten mag, behalte ich.

Was ist das Schwierigste beim Ausmisten?

Für die meisten Menschen ist es wahrscheinlich das Loslassen beziehungsweise die Angst davor, etwas wegzugeben, was sie doch noch brauchen oder vermissen könnten. Und jeder hängt an etwas anderem. Wichtig ist es, sich vor dem Aussortieren vorzustellen, wie es danach aussieht und wie es sich anfühlt. So eine Vision vom Idealzustand ist wichtig für das Dranbleiben.

Wie schafft man es, loszulassen und sich von einem Gegenstand zu trennen?

Vielen Menschen fällt es sehr schwer, sich zum Beispiel von Büchern zu trennen. Hier empfehle ich, sich vorab zu überlegen, wie viel Platz ich den Büchern in meinem Zuhause einräumen möchte. Dann kann man einfach mal spontan drei Bücher aus dem Regal herausgreifen, die man nie hergeben würde. Und wenn man nun alle anderen Bücher aus dem Regal nimmt, dann hat man diese emotionale Verbindung als Entscheidungshilfe, wie viel sie einem bedeuten oder eben nicht. Natürlich kann man auch übergangsweise mal etwas wegräumen, zu viel Deko zum Beispiel. Und die Kisten für kurze Zeit im Keller deponieren, um einmal das Gefühl von mehr Freiraum zu spüren. Wichtig ist aber, dass solche Kisten dann nicht dortbleiben, sondern nach einer festgesetzten Zeit in naher Zukunft eine Entscheidung getroffen wird, was mit dem Inhalt geschieht.

Interview: Helena Grillenberger

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