Trauer um Bartgeier Wally

von Redaktion

Suchtrupp findet Überreste des Vogels in der Nähe der Zugspitze

Berchtesgaden – Wally hatte Fans in ganz Deutschland, immer wieder erreichten den Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) zuletzt besorgte Anfragen, ob das Tier endlich wieder aufgetaucht sei. Die Hoffnung war lange groß. Das seit 15. April ausbleibende Signal von Wallys GPS-Sender wurde auf eine vorzeitig gerissene Senderbefestigung zurückgeführt – wie es auch bei vier anderen besenderten Bartgeiern in den Alpen in den letzten beiden Monaten der Fall war. Doch jetzt brachte ein Suchtrupp die traurige Gewissheit, dass Wally tot ist.

In der Nähe der Zugspitze im Reintal in einer unzugänglichen Felsrinne auf 1500 Metern Höhe fanden die Geier-Forscher des LBV Knochen, Federn sowie Ring und Sender des Vogels. „Uns war immer bewusst, dass solche Rückschläge passieren können, dennoch sind wir über den Tod von Wally bestürzt“, sagt der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer. „Dass auch mal ein Vogel stirbt, ist Teil der Natur, aber wir hätten ihr natürlich ein langes Bartgeierleben gewünscht.“

Der Bartgeier zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines groß angelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum junge Bartgeier ausgewildert. Wally war einer dieser hoffnungsvollen Vögel, die dafür sorgen sollten, dass die Population wächst.

Dass der junge und nach allen bekannten Daten und vorherigen Beobachtungen gesunde Vogel in den unzugänglichen Hängen des Naturschutzgebiets Reintal umgekommen sein könnte, wurde auch von internationalen Experten bis zuletzt für unwahrscheinlich gehalten, heißt es vonseiten des LBV. „Zwar überleben neun von zehn Jungvögeln im internationalen Auswilderungsprogramm das erste Jahr, man kann aber eben auch nicht ausschließen, dass mal etwas passiert“, sagt Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel. „Wir suchen nun nach möglichen Ursachen, wobei es noch viel zu früh ist, um etwas Konkretes dazu zu sagen, und wir wollen keinesfalls spekulieren.“ Wallys Überreste wurden zur Untersuchung bei einer unabhängigen Fachstelle eingereicht.

Auch in anderen am Projekt beteiligten Ländern wie Österreich, Frankreich oder der Schweiz ereignen sich immer wieder Todesfälle, teilt der LBV mit. Trotzdem verlaufe die Wiederansiedelung des Bartgeiers in den europäischen Alpen so erfolgreich wie kaum ein anderes Auswilderungsprogramm. „Der Tod von Wally bestätigt uns, dass wir dieses Projekt nicht als Sprint, sondern als Marathon auf zehn Jahre angelegt haben, und dass eine einmalige erfolgreiche Auswilderung eben noch lange nicht ausreicht und keine Garantie ist, um die Bartgeierpopulation in den Ostalpen langfristig zu stärken“, sagt der LBV-Chef.

Es gibt aber auch positive Nachrichten. Wally wurde 2021 zusammen mit einem zweiten Bartgeier ausgewildert. Bavaria ist wohlauf – sie befliegt auf ihren Streifzügen momentan das Umfeld des Nationalparks Berchtesgaden. Und schon am 9. Juni werden der LBV und der Nationalpark zwei weitere junge Bartgeier zur Stützung des ostalpinen Bestandes auswildern – darunter auch die Schwester von Wally.  sts

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