Wenn man in München Karl Valentin besuchen möchte, der an diesem Samstag seinen 140. Geburtstag hätte, dann kann man ins Museum im Isartor gehen. Oder man bummelt über den Viktualienmarkt. Da steht das evangelische Allroundgenie als Säulen- und Brunnenheiliger neben anderen berühmten Gestalten wie Liesl Karlstadt und dem Roider Jackl. Karl Valentin sagte zu Pfingsten, zum Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes: „Wissen Sie schon, dass Pfingsten vor Ostern kommt, wenn man den Kalender von hinten liest?“ Ein Satz mit Tiefgang.
Manche Auferstehung mitten im Leben wäre möglich, wenn Menschen ihren Geist benutzen würden oder sich inspirieren ließen von wahrer Humanität. Aber es gilt wohl eher ein Satz des Komikers in seiner bittersten Deutung: „Nieder mit dem Verstand – es lebe der Blödsinn.“ Der Blödsinn heute ist nicht lustig, sondern gemein und grausam. Kriege und die Nöte dieser Welt ähneln mehr dem vorpfingstlichen Turmbau zu Babel. Da wollen sich Leute einen Namen machen, wollen hoch hinaus, koste es, was es wolle. Die eigenen Pläne scheinen fehlerfrei, der Sieg unausweichlich. Der Turm des persönlichen oder gemeinsamen Größenwahns wird größer. Wenn eine Masse von Menschen die gleiche Ideologie hat, führt das zu einer Grandiosität, die unmenschlich ist, weil sie das Individuum aus dem Blick verliert.
„Der Mensch is guad, de Leit’ san schlecht!“, sagt Karl Valentin. Ein glasklarer Realismus, der, würde man ihn pflegen, verhindert, dass man politisch allzu treuherzig wird. In der ebenfalls nüchternen biblischen Geschichte tut es einen dumpfen Schlag. Alles kracht in sich zusammen. So oft ein Turm in Selbstüberschätzung gebaut wird, so oft geht es schief und man sehnt sich danach, dass Hirn vom Himmel kommt. Geistreiches Denken, Reden und Handeln werden zum Problem. Das hat eine gute Seite: Wenn die primitive Schulterschluss-Mentalität in Stücke geht, merkt man: „Ich unterscheide mich von anderen.“ Der Einsturz des Turms von Babel erzählt, wie Menschen merken, dass sie ein eigenes „Ich“ haben, das in der Menge nicht untergehen darf. Zwischenmenschliche Verständigung und eine zwischen den Nationen ist keine Selbstverständlichkeit und die Erzählung von der Ausgießung des Heiligen Geistes alles andere als ein alter Hut. An Pfingsten wird klar: Menschen, ihre Meinungen, ihre Ideen und Träume sind verschieden. Be-Geisternd ist, dass sie sich dennoch verständigen und verstehen. „Ich freue mich heute noch, dass es mir gelungen ist, den heutigen Tag noch zu erleben“, sagt Karl Valentin. Pfingsten: um den Heiligen Geist bitten. So nachdenken und handeln, dass die Menschheit in ihrer faszinierenden Verschiedenheit diesen und noch viele andere Tage gemeinsam erleben darf.