Ramsau – Dagmar und Recka – so heißen die beiden andalusischen Jungvögel, die gestern in den Berchtesgadener Alpen ein neues Zuhause fanden. Einem langjährigen, großzügigen Spender des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) war die Namensgebung von Dagmar überlassen worden. Recka ist auf ein Werk des bayerischen Schriftstellers Ludwig Ganghofer zurückzuführen, der so die einzige Tochter des sagenumwobenen „König Watzmann“ nennt. Es sei ein „traditioneller Name mit Heimatbezug“ so der LBV. Das sehen die Bartgeier-Freunde, die aus dem ganzen Land angereist waren, ein wenig anders. „Tonia“ wäre deren Wunsch gewesen. In Anlehnung an den Bartgeier-Experten Toni Wegscheider.
Aber nun denn: Die beiden Bartgeierweibchen, die bereits am Mittwoch aus dem Tiergarten Nürnberg ins Bergsteigerdorf Ramsau transportiert worden waren, sind vor Ort lang erwartet worden. Auf zehn Jahre angelegt ist das Projekt im Nationalpark Berchtesgaden, bei dem junge Bartgeier ausgewildert werden, um „die zentraleuropäische, alpine Population dieser seltenen Vogelart stärken und mit den Beständen auf dem Balkan und in Kleinasien verbinden“ zu können. LBV-Chef Norbert Schäffer möchte „die Erfolgsgeschichte dieser Vogelart fortschreiben“. Vom Tod des erst im vergangenen Jahr ausgewilderten Bartgeiers Wally (wir berichteten) wollen sie sich nicht beeindrucken lassen.
Bevor es für die Bartgeier in die Auswilderungsnische ging, wurden die zwei Vogeldamen, eine Cousine und eine Schwester von Bavaria und Wally, der Öffentlichkeit präsentiert. Besonders schön seien sie ja nicht, urteilte der Moderator über die beiden Vogelweibchen – wobei ihm Umweltminister Thorsten Glauber direkt widersprach: „Die sind doch wunderbar.“ Nationalpark-Ranger setzten die Jungtiere daraufhin in Tragekisten und transportierten die Knochenfresser bei starkem Regen zur Nische – begleitet von vielen Wanderern, die live dabei sein wollten. Für das Bartgeier-Team wird es nun viel Arbeit geben: Das regelmäßige Füttern mit Wildtierknochen und eine 24-Stunden-Überwachung sind Teil des kostspieligen Projektes. In rund vier Wochen erwartet Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel den Ausflug der beiden Vögel, die dann etwa sechs Kilo schwer sein werden. Bis in den Spätsommer hinein könnten sie in der Umgebung ihres Horstes verweilen, ehe sie dann den europäischen Alpenraum zu erkunden beginnen.
Im vergangenen Jahr zählten die Mitarbeiter des Schutzparks 8000 Gäste vor Ort, die sich für die Bartgeier-Auswilderung interessierten. Auf der Webseite des LBV erreichten die Greifvögel sogar mehr als eine Million Klicks. „Solch ein großes Interesse an einer Tierart hat es noch nie gegeben“, sagt Norbert Schäffer. Es gibt Webcam-Beobachtungen, Flugrouten-Überwachung, zudem eine Aussichtsplattform mit Blick auf die rund 120 Quadratmeter große Felsnische, in der die knapp drei Monate alten Bartgeier Dagmar und Recka auf 1300 Höhenmetern aufwachsen werden. Jetzt hoffen die Verantwortlichen nur noch eins: Dass Dagmar und Recka ganz lange Zeit in freier Wildbahn überleben werden.