„Das Heimat-Gedöns geht mir auf die Nerven“

von Redaktion

Die Bairisch-Rapper von „dicht & ergreifend“ über Dialekt, Deppen, Dorfrunden – und ihre Tour

Sie sind bayerische Volkshelden, aber ganz ohne Janker, Kruzifix und CSU: Fabian Frischmann, Künstlername Lef Dutti, und Mike Huber, genannt George Urkwell, sind die Rapper von „dicht & ergreifend“ – in ihren Songs zerfieseln sie die Heimat und alle unangenehmen Begleiterscheinungen. Zynisch, ehrlich, lustig, tragisch, mit Blechblasinstrumenten und Beats. Mundart, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Aber Mundart, die nicht weiter entfernt sein könnte von Bayern-Tümelei. Die Musiker, die in niederbayerischen Dörfern aufgewachsen und vor vielen Jahren nach Berlin gezogen sind, treten im Sommer auch in Oberbayern auf. Ihre Konzerte sind eine Wucht. Egal, ob sie wie neulich bei ihrer Vollkontakt-Reihe in einem Wirtshaus der Provinz auftreten oder wie 2019 die Münchner Olympiahalle voll machen. Wir haben uns mit den beiden getroffen – per Video-Telefonat.

Ihr lebt schon lange in Berlin. Was findet ihr an Bayern toll?

Urkwell: Diese Frage ist immer mit Klischees aufgeladen. Ich denke nicht gerne über Grenzen nach, auch nicht innerdeutsch. Wo man Menschen kennt, hat man positive Verbindungen. Lef Dutti: Für mich ist es die Sprache. Wenn ich im Ausland jemanden höre, der Bairisch spricht, weiß ich, mit dem kann ich reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Wenn ich Hochdeutsch reden muss, bin ich nicht genauso, wie wenn ich meine Muttersprache spreche.

In euren Songs sitzt jede Silbe. Aber wenn ihr in Jena oder Münster über Gnechesuiz und Fahnaweih rappt, versteht euch doch niemand. Ist das nicht schade?

Urkwell: Der Text ist das tragende Element im Hip Hop, klar. Aber es ist interessant, wie Musik trotzdem funktioniert. Das kennt doch jeder, dass man ein französisches Chanson ins Herz schließt, obwohl man kein Wort versteht. Es geht darum, mit Musik live die Menschen zu erreichen.

War es trotzdem etwas Besonderes, in der ausverkauften Olympiahalle zu spielen – wo euch vermutlich alle verstehen?

Urkwell: Ja klar. Auf dem Konzert ist mir aufgefallen, welche krasse Bandbreite wir erreichen. Alle Gesellschaftsschichten. Vom Arzt bis zum Vermessungstechniker, Arbeitslose waren bestimmt auch da. Das ist wirklich kurios. Jemand hat mal gesagt, ab 400 Besuchern kommen nur noch Idioten aufs Konzert. Darüber habe ich oft nachgedacht. Aber es stimmt nicht. Nur weil uns viele Leute hören und wir viele Youtube-Klicks haben, heißt das nicht, dass wir Mainstream sind. Wir sind unser eigenes Label, wir machen alles selber. Das ist Hausmannskost.

Habt ihr bayerische Vorbilder?

Lef Dutti: Ich habe schon immer Polt verehrt. Wie viel Einfluss der auf unsere Musik hat, kann man schlecht herausfiltern. Aber der ist eine lebende Legende.

Kennt ihr euch?

Lef Dutti: Ich hab ihn nur einmal servus-mäßig getroffen. Urkwell: Ich war mal mit der Biermösl-Blosn und dem Gerhard an einem Tisch gesessen, vielleicht eine halbe Stunde. Das hat sich angefühlt wie eine Audienz beim Papst. Das ist eine Lichtgestalt mit ganz düsteren und zynischen Zügen.

Wie Polt kritisiert auch ihr das Landleben, was zum Beispiel Rassismus und Alkoholismus angeht. Wie viel eigene Erfahrung steckt darin?

Lef Dutti: Nichts aus unseren Songs ist exakt so passiert. Aber wir haben auch nicht alles erfunden.

Wie hat ein Wochenende in eurer Jugend ausgesehen? Kanntet ihr euch?

Lef Dutti: Ich war 18, als wir uns bei einem Hip-Hop-Jam kennengelernt haben. Wir waren viel im Strich 8, einem Club in Dingolfing. Es gab eine Zeit, da habe ich die ganze Woche auf diesen Freitag hingewartet. Urkwell: Wir haben uns dort total wohlgefühlt, alle anderen haben gesagt: Da gehen nur die Assis hin. Lef Dutti: Das war der Gegenentwurf zur Großraumdisco, wo man sich schick anziehen musste, um reinzukommen.

In einem Song geht‘s um den Meier und den Wimmer. „Da Meier hot an Dreier und da Wimmer hot an Simma. Da Meier werd ned gscheida und da Wimmer is da dimmer.“ Gab´s damals auch solche Typen?

Urkwell: Zu der Meier und Wimmer-Geschichte gibt es eine Legende: Zwei Jungs sind mit ihren frisierten Autos eine Dorfrunde gefahren und wollten die Leute aufwecken. Sie haben die Fenster runtergedreht, der eine ist in die eine Richtung gefahren, der andere in die andere. Und weil die Dorfrunde tatsächlich eine Runde war, sind sie irgendwann zusammengefahren. Das zum Beispiel war der Auslöser für den Song – dass man sich zwei Kasperl überlegt, die Mist bauen.

Die Burschen werden euer Lied auch gehört haben. Hat es euch schon mal jemand übel genommen, dass er in euren Songs vorkommt?

Urkwell: Ja schon. Anfangs, als das noch frisch war, waren schon kritische Töne im Dorf zu hören. Meine Mutter hat ein Wirtshaus, wo ja schon auch Alltagsrassismus aufkommt. Da wurde ganz offensiv zu meiner Mama gesagt: Das, was die zwei machen, geht gar nicht.

Ihr werdet oft als Gstanzl-Rapper oder Ghetto-Gstanzler bezeichnet. Seht ihr euch in der Tradition?

Lef Dutti: Das ist uns ein bissl angedichtet worden. Urkwell: Das ganze Heimat-Gedöns geht mir tierisch auf die Nerven. Ich kann damit gar nichts anfangen. Dass wir bairisch rappen, weil wir die bairische Sprache erhalten wollen, ist einfach Schmarrn. Immer diese volkstümlichen Querverweise, bloß weil wir Blechblasinstrumente auf der Bühne haben. Ich sehe mich eher als Antipatriot, als dass ich es geil finde, dass ich zufällig in Bayern auf die Welt gekommen bin. Lef Dutti: Aber es ist schon so, dass durch das Bairisch manchen ein Tor geöffnet worden ist, die niemals Hip-Hop gehört hätten, aber uns schon anhört. Warum auch immer. Vielleicht bloß, weil es bairisch ist. Aber die haben auch die Chance, das zu hören, was wir zu sagen haben.

Obwohl sie politisch vielleicht ganz anders ticken?

Lef Dutti: Es gibt definitiv Menschen mit einer uns sehr befremdlichen politischen Haltung, die aber trotzdem unsere Musik hören. Leider. Aber vielleicht öffnet unsere Musik manchem von denen ja auch endlich die Augen.

Könnte es passieren, dass ihr mal aus Versehen einen Wiesn-Hit schreibt?

Urkwell: Wenn es aus Versehen passiert, kann man ja nichts dafür. Aber wir sitzen nicht da und tüfteln an einem Wiesn-Hit. Lef Dutti: Wir müssen mal die Grundlagen anschauen, was man dafür braucht.

Ihr spielt auf der Hirncabrio-Tour in Linz mit Sido, aber auch am Nockherberg mit den Münchner Symphonikern. Was kommt noch?

Urkwell: Wir würden uns gerne freischaufeln, um unser Album zu finalisieren. Es sind in den letzten zwei Jahren so viele Dinge in der Welt passiert, Post-Traumata haben sich überall eingeschlichen, man weiß nicht, wie es mit Corona im Herbst weitergeht. Das wollen wir alles auf irgendeine Weise aufarbeiten. Aber da wir wirklich alles selber machen, ist das so viel Arbeit und wir kommen gar nicht mehr dazu, Musik zu machen. Lef Dutti: Wir wollen alles selber machen, weil wir uns von niemandem dreinreden lassen wollen.

Wann soll euer neues Album fertig sein?

Urkwell: Nicht in diesem Jahr. Aber im Sommer gewähren wir neue Einblicke. Es ist nicht nur der alte Satz, den wir spielen. Wir überlegen uns krasse Geschichten für die Live-Konzerte. Wir wollen ekstatische, heilige Momente schaffen, die man mit ins Grab nimmt. Es gibt neuen Scheiß!

Interview: Carina Zimniok

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