Aying – Stolz erklimmen die Kinder den Hang. Jeder hält seine brennende Fackel ganz fest. Einen halben Kilometer sind die Mädchen und Buben gelaufen. Jetzt stellen sie sich in einem Kreis auf. In dessen Mitte steht ein Holzstoß, sechs Meter breit und 15 Meter hoch. „Das ist immer der schönste Teil unserer Johanni-Feier, weil die Augen von rund 250 Kinder leuchten“, erzählt Martin Bachmair von der Freiwilligen Feuerwehr Aying. Wenn es dunkel wird, zünden an der Zoank’n Alm in Aying (Kreis München) alle gemeinsam das Feuer an. Erst qualmt es, dann knistert es, später funkeln die Flammen und der Sternenhimmel leuchtet – morgen ist es endlich wieder so weit. Ursprünglich war das Feuer für den heutigen Johannitag geplant. Wetterbedingt haben es die Organisatoren verschoben. Sie sind froh, dass es überhaupt wieder stattfinden kann. „Zwei Jahre lang haben wir kein Feuer entzündet“, sagt Bachmair. In seiner Zeit als Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr hat der 54-Jährige 16 Sonnwend-Feste organisiert. Dann kam Corona. „Letztes Jahr hätten wir feiern dürfen, weil das Fest am Waldrand ja unter freiem Himmel stattfindet – aber wir haben uns aus Angst doch dagegen entschieden.“ Ohne Kinder-Fackelzug und Zusammensitzen wäre es nicht das Fest gewesen, das die Ayinger kennen. Auf dem Hang am Waldrand an der Kaltenbrunner Straße blieb der Funkenzauber aus. Auch beim weiten Ausblick gen Berge war vergangenes Jahr kein JohanniFeuer zu sehen. Umso größer ist die Vorfreude heuer.
Schon beim Aufbauen des Holzstoßes haben sich die rund 25 Helfer auf das Johanni-Feuer und auf ihr traditionelles Schmanckerl, die Ochsenfetzen, gefreut. „Dass wir endlich wieder zusammenkommen können, ist am wichtigsten“, sagt Bachmair, der heuer erstmals nicht mehr als Vorsitzender mithilft, aber seinen Nachfolger Johann Springer noch tatkräftig unterstützt.
Wie die Ayinger feiern am Wochenende viele Vereine und Gemeinden in Bayern den Johannistag mit einem Feuer. Allerdings mussten einige Termine nicht nur wegen Gewitter-Vorhersagen, sondern auch wegen der Trockenheit oder der hohen Waldbrandgefahr verschoben werden.
Der 24. Juni ist der Geburtstag von Johannes dem Täufer, dem Namensgeber des Festes. Das Feuer gilt als Sinnbild für Jesus Christus als Licht der Welt und wird traditionell auf Bergspitzen entzündet, von wo aus es besonders weit leuchten und alle Menschen erreichen soll. So funkeln heute auch wieder die eindrucksvollen Bergfeuer rund um Grainau und Garmisch-Partenkirchen. Der Waxensteinkamm gleicht dann einer Lichterkette. Die Tradition lässt sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Dem Volksglauben nach soll das Johanni-Feuer Dämonen abwehren. Darauf deuten auch Strohpuppen hin, die in manchen Gegenden verbrannt werden. Aus dem gleichen Grund sollen um die Sommersonnenwende auch schon in vorchristlichen Zeiten imposante Feuer entflammt worden sein.